Das geheime Leben des László Graf Dracula
eifersüchtig zu machen, und jetzt will er mich heiraten.«
Wie ein Blitz, der sich im Zickzack einen Weg durch mein Gewebe bahnte, fuhr ein Kältestrahl durch meinen Körper. Irgend etwas in meinem Herzen zerbrach, aber ich nahm meine ganze Kraft zusammen und fragte mit gespielter Nonchalance, jede Silbe eine linguistische Glanzleistung: »Und werden Sie ihn heiraten?«
»Nur wenn Sie mich nicht haben wollen«, sagte sie.
Ich war von ihrem Mut zutiefst gerührt und hätte fast laut zu schluchzen begonnen, wenn ich es nicht noch rechtzeitig hätte unterdrücken können.
»Ich habe nichts, das ich Ihnen bieten könnte«, sagte ich mit eisiger Stimme.
»Und ich habe nichts, das ich Ihnen bieten könnte«, erwiderte sie. »Nur meine Liebe. Ich besitze keine Aussteuer, die der Rede wert wäre – ja, ich weiß«, sagte sie, als könnte ich bezweifeln, was sie gerade gesagt hatte. »Man würde es nicht glauben, wenn man sieht, wie wir leben, aber die äußeren Umstände haben sich geändert. Wie gewonnen, so zerronnen. Eine plötzliche unglückliche Wendung der Ereignisse.«
»Lothar ist ein wohlhabender Mann. Er ist in der Lage, Ihnen ein Leben in dem von Ihnen gewohnten Stil zu bieten.«
»Ja, Lothar ist reich. Er hat meinem Vater schon gesagt, daß er keinen Wert auf eine Mitgift legt. Aber ich liebe ihn nicht.«
Gibt es etwas, das sich mit dem Augenblick vergleichen ließe, in dem man, die blanke Klinge in der Hand erhoben, zustößt und das eigene Fleisch trifft?
»Ich kann Sie nicht lieben«, sagte ich. Und es war vollbracht.
Ich hörte sie die Luft anhalten. Aus meinen Augen flössen Tränen. Ich konnte mich nicht zu ihr umdrehen.
»Ich habe das einzige, das mir je etwas bedeutet hat, zerstört!« stieß sie unter Schluchzen hervor.
Ich hörte das Rascheln ihrer Röcke und das harte Klopfen ihrer Absätze auf den Bodenfliesen, als sie schnell von mir fortlief. Aus der anderen Richtung hörte ich Männerstimmen näher kommen, und ich zog mich schnell tiefer in den Wintergarten zurück, um mir einen Platz zwischen den Palmen zu suchen, an dem mein Herz für sich allein war, wenn es starb.
Aber das Leben geht weiter. Ich bin nicht tot. Im Gegenteil, ich bin ein Mann, der nichts zu verlieren hat. Das ist eine völlig neue Erfahrung. Ich beabsichtige nicht, mich in Spekulationen darüber zu verlieren, was hätte sein können. Jetzt gilt es, das Richtige zu tun, die restlichen Funken Zärtlichkeit auszutreten und die Sache systematisch anzugehen. Für den Augenblick möchte ich in Vergessenheit versinken, mich betrinken, oder, was das gleiche ist, mich in Stacia verlieren. Warum kann ich sie heute abend nicht sehen oder morgen abend oder am Abend danach?
30. JUNI 1866, FRÜH AM MORGEN
Als ich dieses Tagebuch begonnen habe – lieber Gott, mit so guten Absichten und leichten Herzens, daß ich den Verfasser kaum wiedererkenne! –, hatte ich nicht die leiseste Ahnung, daß ich meine eigene Fallstudie niederschreiben würde. Fallstudie oder Beichte? Krank oder verdorben? Sollen die maßgeblichen Autoritäten sich selbst ein Urteil bilden. Ich bin erstarrt. Ich bin verwirrt. Ich nehme an, daß ich, falls ich meine Gefühle beschreiben sollte, diese als »unheimliche Heiterkeit« bezeichnen würde. Aber genug der Selbstprüfung. Es wird alles bald vorbei sein.
Die Dämmerung bricht über den Dächern an. Es kommt mir vor, als wäre es vor einem Jahr geschehen, dabei war es erst gestern abend, als ich zu Stacias Haus ging. Ich bin natürlich nicht direkt dorthin gegangen, da sie mich schon hatte wissen lassen, daß sie mich nicht würde empfangen können. Sie gibt nie einen Grund an, aber ihr Ton macht deutlich, daß ich nicht das Recht habe, zu fragen. Das ärgert mich, und das ist zweifellos von ihr beabsichtigt. Sie will mir bedeuten, daß ich keinen Anspruch auf sie habe. Sie macht Anspielungen auf weitere Liebhaber, aber irgendwie fühle ich, daß ich ihr einziger auserwählter Gefährte bin und die anderen zahlende Kunden. In diesem Zustand mürrischer, wilder Trunkenheit wartete ich unter ihrem erleuchteten Fenster. Fügen wir der Mischung ein wenig Selbstmitleid hinzu. Wie diese Zutat zur Würze der anderen Gefühle beiträgt! Aber »Selbstmitleid« ist vielleicht eine Untertreibung des hohen moralischen Pathos, mit dem der Abend begann, als ich von dem Empfang bei den Berthiers in meine Wohnung zurückkehrte. Ich glaube, ich kann sagen, daß ich zu diesem Zeitpunkt von einer tiefen Verzweiflung
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