Das geheime Leben des László Graf Dracula
gepackt wurde.
Zuerst vervollständigte der Mann, für den ich jetzt kein Mitleid mehr empfinde, die Eintragung in dieses Tagebuch. Dann, als es dunkel wurde, machte ich mich auf den Weg in jenen elenden Winkel des Quartier Latin, in dem Stacia ihr geheimes Zimmer hat. Es war noch zu früh, um zu erwarten, daß sie schon aus dem Hôpital kam, und ich war mir nicht schlüssig, ob ich mich irgendwo verbergen sollte, um mich ihr in den Weg zu stellen und sie anzusprechen, oder ob ich mir die Zeit mit Trinken vertreiben sollte, bis sie allein war. Ich entschied mich für den Absinth. Ist es der bittere Geschmack von Wermut, der diese ölige Flüssigkeit nach Tod schmecken läßt? Oder ist es der Rausch, der mir einen Vorgeschmack auf die tödliche Demenz gibt, die Absinth bei denen auslöst, die ihm verfallen sind?
Spät, ohne zu wissen, wie spät es wirklich war, torkelte ich aus einem Weinladen. Ehrliche Bürger waren auf den Straßen nicht mehr zu sehen. Ich konzentrierte mich auf meinen Gang, versuchte nicht zu sehr zu schwanken, was mich voll und ganz in Anspruch nahm. Ich sah einen trüben Lichtschein hinter Stacias Fensterscheiben und versteckte mich im Schatten unter einer Treppe, von dem aus ich den Eingang des Hauses beobachten konnte. Von diesem Platz aus hatte ich schon früher spioniert, aber ohne Erfolg. Ich hielt es nicht lange aus, gebückt dazustehen, und so setzte ich mich in diesem dunklen Winkel auf den Boden. Ich mußte eingeschlafen sein, wie einer dieser ganz gewöhnlichen Trunkenbolde. Ich weiß nicht mehr, was mich geweckt hat. Zuerst wußte ich nicht gleich, wo ich mich befand, obwohl ich nicht mehr ganz so betrunken war wie vorher, vielmehr mich in jenem schmerzhaften Zustand befand, in dem die Trunkenheit noch nicht vorüber ist, der Kater aber bereits begonnen hat.
Von meinem Platz aus sah ich, daß in Stacias Fenster noch immer Licht brannte, aber ich konnte nicht die Haustür des Gebäudes sehen. Mit ziemlicher Mühe bewegte ich meine steifen Beine, um mich zuerst hinzuhocken und dann vorsichtig eine gebückte Haltung anzunehmen, so daß ich über die Stufen spähen konnte, hinter denen ich mich versteckte. Da entdeckte ich Lothar. Er stand vor der geschlossenen Tür und lugte vorsichtig nach links und rechts.
Hielt er nach Straßenräubern Ausschau, oder erwartete er, daß ihn Aristides Agenten beschatteten, um die Aktivitäten des künftigen Schwiegersohns zu überprüfen? Anscheinend war er zufrieden, den Weg frei zu sehen, und ging, elegant den Spazierstock schwingend, die Straße hinunter.
An diesem Punkt hätte ich nach Hause gehen sollen. Gibt es eine menschliche Eigenschaft, die einfältiger ist als zu späte Einsichten? Statt dessen stieg ich –
betrunken, rührselig, gequält, einsam und mit dumpfer Wut, die ich nicht zur Kenntnis nahm – die vertrauten Stufen zu Stacias Zimmer hinauf, tastete mich in der Dunkelheit an den bekannten Markierungen vorbei bis hinauf zum obersten Treppenabsatz.
Ich klopfte an. Von drinnen war ein Freudenschrei zu hören und das Geräusch eiliger Schritte. Die Tür flog auf.
»Ich wußte, daß Sie...«, begann Stacia in neckendem Ton, aber die Fröhlichkeit verschwand bei meinem Anblick sofort aus ihrem Gesicht. »Oh«, sagte sie, als wäre es eine Begrüßung. Sie gab sich keine Mühe, den Ausdruck des Erstaunens und Mißfallens zu verbergen, als sie nach kurzem Zögern auf die Seite trat, um mich ins Zimmer zu lassen. Die Luft war feucht vom intimen Geruch zweier Menschen, die einige Stunden zusammen eingeschlossen gewesen waren.
Sie trug ein neues Kleid, das ich nicht kannte, ein modisches Abendkleid aus schwarzem Satin, und sein eleganter Schnitt bildete einen merkwürdigen Gegensatz zu der Schäbigkeit des Zimmers. Anscheinend hatte sie gerade angefangen, sich auszuziehen, denn am Rücken waren schon einige Verschlüsse geöffnet, und an den Schultern, wo das Kleid so geschnitten war, daß es fest ansaß, hing es schlaff herunter, als würde es eine vorsichtige Hand einladen, sich unter dem losen Stoff auf das warme, sinnliche Ziel zuzubewegen. Oder eine Faust, die den prächtigen Stoff ergriff und ihn ihr vom Körper riß. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie Stacia begann, als würde ihr dies einen Vorteil über mich verschaffen.
Sie stand mit dem Rücken an die geschlossene Tür gelehnt und seufzte. »Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt...«
»Völlig klar«, sagte ich. »Du hast es völlig klargemacht.«
»Ich
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