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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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löste, mit abgewandtem Blick, damit ich nicht sehen sollte, was mir jeder andere Teil von ihr schon verraten hatte. Es war Estelle, die die Allee hinauf- und hinuntersah, um sich zu vergewissern, daß uns niemand beobachtete.
    »Wir sollten weitergehen«, sagte sie.
    Es schien ungefährlich zu sein. Wir gingen weiter von der Brücke weg, bis zum Ende der Allee, von wo aus ein Pfad, den vor allem die Fischer benutzten, am Flußufer entlangführte. Wenn jemand in die Allee kam, würden wir zu weit entfernt sein, um erkannt zu werden, und konnten uns ohne Schwierigkeiten verbergen. Ich ergriff ihre Hand; sie warf mir einen scheuen Blick zu, zog sie aber nicht zurück. Es war ein kostbares Ding, das ich hielt, ein wundersames Objekt, wovon man liest, das man aber nie zu sehen oder zu berühren erwartet.
    Ich erinnere mich, dasselbe Gefühl von Fremdheit und Verehrung gespürt zu haben, als ich zum erstenmal im Schatten eines geöffneten Thorax ein menschliches Herz sah.

    Der Fluß war dunkel und vom letzten Regen angeschwollen. Seine mächtige Strömung bewegte sich schnell mit uns mit, und wir hörten das Schmatzen der Strudel und das Getöse an den Stellen, an denen er um die großen Felsblöcke herumwirbelte, die auf seinem Weg lagen. Der Fluß war eine lebende Erscheinung, die sich neben uns voranbewegte, unerbittlich, geheimnisvoll und gefühllos.
    »Ich komme oft hierher«, sagte Estelle, nachdem wir eine lange Zeit schweigend nebeneinander gegangen waren. Ich für meinen Teil war so berauscht von ihrer Gegenwart, daß ich keine Worte brauchte.
    Sie ist kleiner und zarter, als ich geglaubt hatte, bis ich neben ihr ging. Weil ihre Knochen schmal sind und sich ihre Gliedmaßen zu winzigen Händen und Füßen verjüngen, erinnert sie mich an eine Schäferin aus Meißener Porzellan.
    Als ich sie anstarrte, wurde sie verlegen und neigte in einer entzückenden Geste bescheiden den Kopf. Ich wollte ihr versichern, daß ich sie nur in Bewunderung betrachtete, denn ich hatte Angst, daß sie die Gier in meinen Augen sah und sich vor mir fürchtete. Verstohlen, fast schuldbewußt warf ich einen Blick auf den winzigen Leberfleck an ihrem Hals. Ich war hingerissen von ihrer weichen Haut, von ihrem wundersamen, lebendigen Ausdruck. Es war ein Augenblick, in dem Postulate in sich zusammenfallen und man in einen Zustand des Ursprünglichen versetzt wird, ähnlich dem Wahnsinn: Ich war verwirrt, daß ein solcher Körper auch eine Seele haben sollte, daß ihr Geist auch von einer solchen fleischlichen Form beherrscht werden konnte. Daß sie existierte!
    »Wenn ich gewußt hätte, daß du immer hierherkommst, hätte ich dich schon früher gefunden«, sagte ich zu ihr.
    »Wirklich?« fragte sie, während sie stehenblieb und sich zu mir drehte, als wäre dies die wichtigste Frage der Welt.
    »Ja«, sagte ich. Ich fühlte die Aufrichtigkeit wie einen Schmerz in meiner Brust. Ich hätte sie wieder geküßt, aber sie drehte sich weg von mir und drängte mich zum Weitergehen. Sie hielt den Kopf auf eine nachdenkliche Art gesenkt.
    »Ich muß immer an dich denken«, flüsterte ich und hätte alles getan, damit sie den Kopf hob, damit ihre Augen wieder zu mir aufblickten. Ich sah ein kleines freudiges Lächeln auf ihren Lippen.
    »Wirklich?« fragte sie und drehte den Kopf ein wenig mehr zu mir hin, dann aber, wie ein Vogel, schnell wieder weg.
    »Ich stelle mir vor, daß ich, so wie jetzt, mit dir allein spreche, mit dir spazierengehe, dich anfasse.«
    »Ich habe an Sie gedacht, wenn ich hier spazierengegangen bin«, sagte sie schüchtern. Unter ihren Augen waren dunkle Schatten, und ich fragte mich, ob sie keinen Schlaf fand, weil sie sich mit der Frage quälte, ob sie mit mir nach Budapest fahren sollte. Aber jetzt, in meiner Gegenwart, schien sie sich wieder sicher zu sein.
    »Du mußt wissen, ob du es auch wirklich willst«, sagte ich zu ihr. Ich wollte rücksichtsvoll sein, aber es war dumm, so etwas zu sagen, und das wußte ich auch, sobald ich ihr Gesicht sah.

    »Und Sie? Wissen Sie es denn nicht?« fragte sie. Ihre Augen funkelten herausfordernd.
    »Doch, doch, absolut. In meinem ganzen Leben habe ich mir noch nie etwas mehr gewünscht«, log ich, aber so überzeugend, daß ich es in diesem Augenblick selbst glaubte.
    »Dann ist ja alles in Ordnung.«
    »Ich habe mir Sorgen gemacht, daß du...« Wußte sie denn, wohin es führte, wenn sie ihre Familie verließ, wenn sie in die Stadt zog, wenn sie sich von einem Mann als seine

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