Das geheime Verlangen der Sophie M.
in diesen Bereich hinein, als ich gehofft hätte. Auf meine Mail hatte er nicht geantwortet, er hatte nicht mal gesagt, dass er sie bekommen hatte. Also machte ich mir natürlich Sorgen, dass ich eine Grenze überschritten hatte. Oder er. Und ich wusste nicht, wie wir jetzt zu unserem relativ entspannten Normalverhalten zurückkehren sollten.
Ich stieg aus dem Zug, zog meine Trolleytasche über den Bahnsteig und versuchte zu verhindern, dass mir die Handtasche von der Schulter rutschte. Ich gab dem Mann an der Schranke meine Fahrkarte und überlegte, wie ich nach Hause käme und ob ich dann James anrufen sollte. Und da stand er plötzlich mit einem Lächeln vor mir. Er nahm mich in den Arm und küsste mich ausgiebig, bis wir beide solche Lust aufeinander
hatten, dass wir ein Eckchen für uns allein brauchten. Er nahm meine Hand und zog mit der anderen meinen Trolley. Plötzlich war diese bedrückende Unruhe, die mich vor meiner Rückkehr gebeutelt hatte, wie weggeblasen. Ich freute mich nur, dass er hier war und ich bei ihm. Und verspürte natürlich die übliche Lust …
15. KAPITEL
Wir hatten wirklich Lust aufeinander. Ich hatte schon in verschiedenen Beziehungen diese Phase der Verliebtheit durchlebt. Mit Thomas hatte es Spaß gemacht, verschiedene Praktiken auf der Liste abzuhaken, aber mit James war die sexuelle Spannung anders. Sie war immer da. Ich denke, teilweise lag es daran, dass ich ihn so umwerfend attraktiv fand, aber die D/S-Komponente beeinflusste auch alles andere, alles war voller Möglichkeiten. Es machte Spaß und gab mir stärker als in einer normalen sexuellen Paarbeziehung das Gefühl, ein gemeinsames Geheimnis zu haben: diese besonderen Momente, von denen keiner wusste und auf die keiner Einfluss nehmen konnte.
Jederzeit konnte die Situation kippen, und alles wurde anders. Wenn wir auf dem Sofa lagen und fernsahen, konnte es sein, dass er sich plötzlich über mich beugte und mich kitzelte. Dann boxte ich ihn in die Rippen, damit er aufhörte, und er hielt meine Hände fest. Wir sahen weiter fern, er umklammerte meine Hände und verstärkte unmerklich seinen Griff, wenn ich rutschte und mich bewegen wollte und spielerisch prüfte, ob er mich loslassen würde. Dann stand er plötzlich auf und verließ den Raum, kam mit einem Seil zurück und fesselte meine Hände fest, aber nicht unbequem, und so lagen wir dann weiter auf dem Sofa. Es war eine eigenartige Dynamik, die Grenzen zwischen Sexualität und den ruhigen Momenten einer Beziehung, in denen man einfach nur zusammen sein will, herumtrödelt
und dies oder jenes tut, verschwammen. Ich fand das faszinierend. Wir lagen in geselligem Schweigen da, lasen Zeitung oder so, und auf einmal gab es ein Nicken des Einverständnisses über die weniger konventionellen Seiten unserer Beziehung. In diesen kurzen Momenten war die Atmosphäre aufgeladen vor Erwartung. Mit gefesselten Händen beugte ich mich linkisch vor, um einen Schluck Tee zu trinken, und James war hingerissen – er sah gern zu, wie ich mich um die Hindernisse herumlavierte, die er mir in den Weg legte, und immer fiel ihm etwas noch Diabolischeres ein, mit dem er mich weiter herausfordern konnte. Oder er schob seine Hand unter meine Bluse und streichelte meine Schulter, während ich in meiner behinderten Haltung dasaß. Der nur unscharf umrissene Übergang zwischen Sex und normalem Leben sorgte für eine auf regende Mischung der beiden Bereiche, aber, wie gesagt, alles konnte sich jederzeit ändern, und selbst so etwas Einfaches, wie auf dem Boden vor dem Fernseher zu liegen, während er auf dem Sofa saß, bekam plötzlich eine eigenartige Zweideutigkeit. Noch nie hatte es solchen Spaß gemacht, sich eine Quizshow anzusehen.
Im Lauf der Wochen fanden wir immer mehr in den Rhythmus unseres gemeinsamen Lebens hinein. Wir waren nicht immer zusammen, beide hatten wir anstrengende Berufe mit vielen Sitzungen und Besprechungen zu den ungewöhnlichsten Zeiten. Aber wir trafen uns mindestens für eine Nacht unter der Woche und an den Wochenenden, wenn ich nicht arbeiten musste. Alles war locker und schön. Die D/S-Dynamik kam und ging, aber das war beruhigend und gut so. Manchmal kuschelten wir nur zusammen im Bett und redeten, und er streichelte mir den Rücken, wenn ich lange im Auto sitzen musste oder verspannt war. Diese Dualität fühlte sich wirklich richtig an. Und das heißt natürlich, dass man alles noch intensiver empfindet,
wenn es einem plötzlich den Boden unter den Füßen
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