Das geheime Verlangen der Sophie M.
besser früher als später zu bewerkstelligen sein.
Ich wandte mich an unsere Lokalzeitung. Mit der neuen Chefredakteurin hatte ich ein langes und hilfreiches Gespräch über das Leben eines Schreiberlings. Wenn ich nun ohne den großäugigen Optimismus der Jugend daran zurückdenke, wird mir klar, dass sie mich vor allem vor der schrecklich schlechten Bezahlung, den langen Arbeitszeiten und den endlosen Gemeinderatssitzungen warnen wollte. Dann aber schlug sie mir vor, einmal mit dem Hausfotografen Jim mitzugehen, für einen Artikel zu recherchieren und ihn zu schreiben. Bevor ich mich zu dem Fotografen ins Auto setzte, musste ich mir jedoch erst einmal ein Notizbuch besorgen.
Niemand hat eine Geschichte mit Bildern über ein Erntedankfest an einer Grundschule jemals so ernst genommen wie ich. Ich notierte mir die Namen und das Alter aller Kinder – das klingt einfach, aber es ist, als wolle man Flöhe hüten und sie dabei alle im Auge behalten. Ich stellte der leicht verlegenen Rektorin wahrscheinlich ein Dutzend Fragen, die sie zum Teil ernsthaft verwirrten. Ich war Bob Woodward, ich war Carl Bernstein, ich war beide gleichzeitig, jedoch mit einem besonderen Interesse für Eingemachtes.
Als wir zum Wagen zurückgingen, grinste Jim. »Das hat dir echt Spaß gemacht, was?«
Ich nickte. Ich kam mir ein bisschen naiv und schrecklich uncool vor.
»Das hast du gut gemacht, gute Arbeit.«
Zurück im Büro schwebte ich sozusagen über dem Boden und schrieb den zweifellos überkandideltsten Artikel, den es je über ein Erntedankfest gegeben hat. Die Redakteurin nickte, als ich ihn abgab.
»Gut. Da fehlt überhaupt nichts.« Später sollte ich herausfinden, dass Redaktionen nicht gerade ein Ort für überschäumendes Lob sind, aber selbst diese schwache Reaktion konnte meinen Enthusiasmus nicht dämpfen. »Gut? Einfach nur gut? Und die Stelle, wo ich die Rektorin dazu gebracht habe, mir zu erzählen, was das Ungewöhnlichste war, das die Kinder für die Erntekisten angebracht hatten?«
Ich hatte zuvor für Schul- und Campuszeitschriften geschrieben, aber das war bei Weitem nicht dasselbe. Diese Zeitung bezogen selbst meine Eltern! Ich hatte angebissen! Ich würde Journalistin werden! Sobald ich herausgefunden hätte, wie das geht …
Sieben Monate später zog ich wieder aus, dieses Mal für immer. Ich hatte mich über renommierte Aufbaustudiengänge für den Bereich des Journalismus im ganzen Land informiert. Ich war entsetzt über die Gebühren, die für solche Kurse in meiner direkten Nachbarschaft verlangt wurden, und kam zu dem Schluss, dass ein Seminar vier Autostunden von zu Hause entfernt die beste Wahl war. Es kostete nur ein Fünftel dessen, was für Kurse in der Nähe erhoben wurde. Mit meinen Ersparnissen und ein bisschen Wochenendarbeit könnte ich also bequem leben. Meine Eltern fuhren mit mir zusammen im Konvoi zu meiner neuen Wohnung, die Autos waren mit allem, was mir wichtig war, voll bis unters Dach. Als wir ausgeladen hatten, begleiteten sie mich zum Supermarkt und kauften so viel für mich ein, dass es weit ins erste Semester hinein reichen würde. Meine Mutter bestand auf einem späten Mittagessen, sie schien sich wirklich Sorgen zu machen, dass ich nichts essen würde. Sobald mein Vater alle Türen und Fenster auf ihre Sicherheit überprüft hatte und draußen umhergestreift war, um zu sehen, ob meine
Nachbarn auch ja nicht irgendwie zwielichtig wirkten, ließen sie mich auspacken. Zum ersten Mal lebte ich ganz allein, und es gefiel mir gut.
Das Jahr verging wie im Flug. Mit jeder Woche war ich mir sicherer, dass ich den richtigen Weg gewählt hatte. Ich liebte die Herausforderung, Leute zu interviewen, die Kreativität des Schreibens. Selbst die eher trockenen Fächer wie Recht und die vielen Stunden über Verwaltungs- und Gemeinderatspolitik fand ich auf einmal faszinierend, waren sie doch der Schlüssel, der mir die Tür zu meinem Traumjob öffnen würde. Meine Kommilitonen kamen aus dem ganzen Land, angefangen bei denen, die zum Rundfunk gehen wollten, bis hin zu einem jungen Mann, der davon träumte, Pressesprecher des Fußballclubs Tranmere Rovers zu werden. Wir waren alle mit Enthusiasmus dabei und entwickelten uns zu einer Gruppe mit großem Zusammenhalt, wenn es auch durchaus so etwas wie freundliches Konkurrenzdenken gab, was gelegentlich zu angetrunkenen Gesprächen über den Ausgang bestimmter zugewiesener Aufgaben führte.
Wie unser Dozent uns nahelegte, sammelten wir
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