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Das geheime Verlangen der Sophie M.

Das geheime Verlangen der Sophie M.

Titel: Das geheime Verlangen der Sophie M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Morgan
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dass es nicht eine Zeit lang schmerzte. Nach Hause zurückzukehren ist schön und gut, aber in den Jahren, die man weg gewesen war, hat man vergessen, dass sich die anderen auch weiterentwickelt haben. Nach meinem willentlichen Schritt weg von Tom als meinem sozialen Umfeld und meinem Freund in jeder Not, dauerte es also seine Zeit, bis ich mich in einer neuen Wohnung und an einer neuen Arbeitsstelle eingerichtet hatte.
     
    Heute hört es sich komisch an, aber als ich James zum ersten Mal traf, mochte ich ihn nicht  – wobei ich zu dieser Zeit eigentlich sowieso niemanden leiden konnte. Obwohl ich wieder »zu Hause« war, verwirrte es mich, wie sehr Tom mir fehlte, und ich war ziemlich am Ende. Wir chatteten so oft wie früher, er war mir immer noch ein hilfsbereiter Freund. Er sprach offen über sich und sein Leben und war eindeutig glücklich mit Charlotte, die nun die Wochenenden bei ihm verbrachte wie ich zuvor. Aber es tat weh. Ich war genervt von ihm und fragte mich, ob ich von ihm oder von mir selbst genervt sein sollte, weil ich nicht wusste, ob ich das Recht hatte, mich von ihm genervt zu fühlen. Außerdem musste ich immerzu an die Dinge denken, die wir
zusammen gemacht hatten. Es erregte mich und machte mich gleichzeitig wütend. Ständig dachte ich darüber nach und versuchte, das Ganze zu verstehen. Ich war erschöpft.
    Ich lebte fast wie eine Einsiedlerin. Ich hatte keine Lust, Leute zu treffen, auszugehen und in lockerem Geplauder so zu tun, als würde mich etwas anderes interessieren als mein eigenes Elend. Als Journalist muss man aber leider mitunter rausgehen und ebendies tun, ob man will oder nicht, und damals wollte ich es eindeutig nicht! Trotz der neuen Stelle, des größeren Ressorts und meiner gewachsenen Verantwortung wirkte sich meine Lethargie in der ersten Zeit negativ auf meine Arbeit aus, und dadurch ging es mir natürlich noch schlechter. Doch selbst im tiefsten Trübsinn ließ meine neue Redakteurin, eine Naturgewalt, nicht zu, dass ich zu lange vor mich hinbrütete. Nachdem sie mich mehrmals an ein Interview erinnert hatte, das ich für einen bevorstehenden Artikel führen musste, drückte sie mir schließlich Mantel, Tasche und Schirm in die Hand und schob mich zur Tür. Ich war zu träge, um auch nur zu murren, aber daran war ich ganz allein schuld.
    Mein Interviewpartner ließ mich warten. Über eine halbe Stunde saß ich kochend im Empfangsraum seines schicken Büros. Alles war aus Chrom und Glas, die minimalistischen Blumenarrangements sahen aus wie Bündel von Zweigen, die man am Straßenrand aufgelesen hatte, kosteten aber bestimmt mehr, als ich in einer Woche verdiente. Als er sich schließlich dazu herabließ zu erscheinen, funkelten meine Augen bereits wütend. Doch er war es gar nicht selbst  – er hatte jemanden geschickt, der mich abholen und in sein Büro hinaufführen sollte. Das ist nun nicht unbedingt ungewöhnlich, damals war es aber nur ein weiterer Punkt auf der Liste der Gründe, warum er mir total auf die Nerven ging. Nach den entschuldigenden Blicken der adretten
Sekretärin, die mich im Aufzug begleitete, zu urteilen, war auch das nicht ungewöhnlich.
    James war und ist noch immer ein Stockbroker. Nun war ausgerechnet mir dieses Interview aufgetragen worden, es ging um einen Bericht über die neue puschelig-moralische Generation von Finanzleuten, die im Nachklapp der weltweiten Krisen offenbar vorherrschte. Ich rechnete mit einem sprossenessenden, sandalentragenden Hippie  – vielleicht in einem Anzug aus Hanf oder so etwas. Doch was ich sah, war ein Mann, den ich in einem Pub eher wehmütig angeschielt hätte, weil ich mir sicher gewesen wäre, dass er zu beschäftigt damit war, mit knackärschigen Frauen auszugehen, die vorzugsweise Pippa hießen, um mir, meinem Glas Rotwein und meiner Chipstüte auch nur einen zweiten Blick zuzuwerfen. Er sah bestimmt nicht so aus, als würde er sich die Finger mit Käse-Zwiebel-Krümeln schmutzig machen. Bei einem schnellen Blick auf seinen Oberkörper hätte ich auch tatsächlich gewettet, dass es da einen wohlgeformten Sixpack gab, der verriet, dass er nicht im Mindesten auf Knabberzeug stand.
    Sein Handschlag war fest. Er entschuldigte sich, dass er mich hatte warten lassen, sein Tonfall aber war nicht zerknirscht. Ganz ehrlich  – als ich mit dem Interview fertig war, wünschte ich mir, er hätte mich ganz versetzt. Sollte dies ein atmosphärischer, eher unstrittiger Artikel werden, so hatte ihn

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