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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Geld und gute Worte, weil fast jedes arme Rind auf den Weiden unter einer Schneewehe lag. Dieser Sturm, dieser Wind – tja, wie Hutch sagt, das ist nichts, mein Liebling. Die Prärie ist lieb zu uns, Caroline. Und wir haben es doch warm, nicht wahr? Und wir sind hier sicher. Wie könnte es anders sein, wo wir doch einander haben?« So sprach er immer weiter, die ganze raue Nacht lang, während Hagelkörner wie Schrotkugeln auf das Dach prasselten. Und Caroline trieb am Rande des Schlafs dahin, nahm die ruhigen Worte in sich auf und spürte einen dumpfen, kalten Schmerz in den Füßen, die mit Hutchs verlorenen Zehen fühlten, und einen kalten, dumpfen Schmerz im Herzen, das mit den Cowboys fühlte, die sich die Knie an die Brust drückten, draußen im lieben Wind der Prärie.
    Im Frühling 1904 schien es überall von Nachwuchs zu wimmeln. Mehrere Stuten hatten schlaksige Fohlen, die ihnen auf Schritt und Tritt folgten, die Hennen auf dem Hof schwammen in einem Meer von Küken, Williams Geschrei war manchmal bis in jeden Winkel der Ranch zu hören, und ein kleiner, rauhaariger Terrier, der Rook, dem schwarzen Koch, gehörte, brachte nach einer zufälligen Begegnung mit einem Mischling unbekannter Abstammung einen Wurf stupsnasiger Welpen zur Welt. Es wurde wieder warm, die Tage wurden länger. Kein Eis mehr auf der Zisterne, keine Hagelstürme und Nordwinde mehr. Der junge Weizen und die Hirse sprossen in hellem Grün, und an Carolines spindeldürren Kirschbäumchen zeigten sich ein paar tapfere Blüten. Doch sosehr Caroline sich bemühte, sie wurde das niederdrückende Gewicht ihrer enttäuschten Erwartungen nicht los, ebenso wenig wie die Angst vor dem weiten Land, das ihr Mann so liebte.
    Sie saßen eines schönen Sonntagnachmittags auf der Veranda, nachdem ein Wanderprediger einen Gottesdienst für sämtliche Bewohner der Ranch abgehalten hatte. Caroline las Corin, der sich sanft auf seinem Schaukelstuhl wiegte, die Zufriedenheit vom Gesicht ab, und sie fühlte sich hundert Meilen von ihm entfernt.
    »Was liest du da?«, fragte er schließlich und erschreckte sie damit, weil sie glaubte, er sei unter den Blättern des Woodward Bulletin eingeschlafen. Sie lächelte und hob das Buch an, damit er den Einband sehen konnte. »Was denn, schon wieder Der Virginier ? Wird dir das Buch nicht allmählich langweilig?«
    »Ein bisschen. Aber es ist eines meiner Lieblingsbücher, und bis du mich in die Stadt bringst, damit ich neue kaufen kann …« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Schon gut, schon gut. Wir fahren nächste Woche, was sagst du dazu? Sobald Bluebell gefohlt hat. Du könntest natürlich auch allein fahren, wenn du nicht auf mich warten willst? Dir würde bestimmt nichts passieren …«
    »Das kann man nie wissen! Ich warte lieber auf dich«, schnitt Caroline ihm das Wort ab. Beim bloßen Gedanken, allein nach Woodward aufzubrechen, drehte sich ihr der Magen um.
    »Na schön.« Corin zog sich wieder in den Schatten seiner Zeitung zurück. »Dann lies mir etwas daraus vor. Ich will herausfinden, was daran so besonders ist.« Caroline blickte auf die Seite hinab, die sie gerade gelesen hatte. Nichts war daran so besonders, dachte sie. Nichts, außer dass die Heldin, eine zivilisierte Dame von der Ostküste, sich ein solches Leben aufbaute, ein solches Glück in der Wildnis fand. Dass sie Schönheit entdeckte, wo Caroline es nicht vermochte, und ihren Mann verstand, wie es Caroline unmöglich schien. Caroline suchte die Seiten ab, als sei der geheime Schlüssel zu alledem irgendwo darin verborgen, als könnte sie aus dem Buch lernen, wie man im Westen heimisch wurde, wie man ihn zu lieben lernte und hier gedieh. Doch der Absatz, den sie gerade gelesen hatte, schilderte Molly Woods Entscheidung, fortzugehen – die letzte düstere Wendung vor dem Ende voller Glück und Sonnenschein, und Caroline zögerte, ihn vorzulesen. Sie saß aufrecht und gerade, wie sie es gelernt hatte, und hielt das Buch vor sich in die Höhe, damit ihre Stimme durch den gestreckten Hals frei fließen konnte.
    »Dies war das folgenschwere Ergebnis jenes Besuches, den der Virginier ihr abgestattet hatte. Er hatte ihr gesagt, dass er bald auf seine Stunde kommen werde. Vor dieser Stunde wollte sie fliehen. Sie lief vor ihrem eigenen Herzen davon. Sie fürchtete, sich selbst nicht trauen zu können, wenn sie ihrem mächtigen, unbezwingbaren Liebsten wieder gegenüberstünde …«
    »Du meine Güte, wie dramatisch«, murmelte Corin schläfrig, als

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