Das Geheime Vermächtnis
Mann fragte, denn selbst vom Haus aus war zu erkennen, dass ihm die Fragen ins Gesicht geschrieben standen. Magpie antwortete ihm auf ihre übliche gemessene Art. Keine Gesten, keine lebhafte Mimik – zumindest kein Gesichtsausdruck, den Caroline hätte lesen können. Als Corin das Mädchen wieder losließ und aufs Haus zuging, wandte Caroline sich ab und machte sich daran, die Mahlzeit aufzutischen, die Magpie für sie gekocht hatte: sämige Suppe aus geröstetem Mais mit dicken Scheiben Roastbeef und warmem Brot.
Was auch immer Magpie Corin gesagt haben mochte, es bedrückte ihn, so viel war offenkundig. Caroline spürte Groll auf das Mädchen in sich aufwallen, stellte aber dennoch lächelnd das Essen auf den Tisch. Sie hoffte inständig, dass er nicht besorgt war, sich keine Gedanken um sie machte, weil sie nicht wusste, was sie ihm sagen würde, falls er sie fragte, ob sie glücklich sei. Was er stattdessen sagte, als sie sich zu Tisch setzten, war:
»Liebling, ich glaube wirklich, du solltest reiten lernen und mich hin und wieder begleiten, damit du mehr von dem Land siehst, auf dem wir leben. Nichts macht mir solche Freude wie ein schneller Ritt über die Prärie, mit dem Wind, der mir Flügel verleiht, und der Kraft eines guten Pferdes …« Doch er unterbrach sich, weil Caroline den Kopf schüttelte.
»Ich kann nicht, Corin! Bitte mich nicht darum … Ich habe es versucht! Die Pferde machen mir Angst. Und das wissen sie auch – Hutch sagt, sie könnten spüren, was Menschen empfinden, und dann würden sie sich schlecht benehmen …«
»Aber du hattest doch auch Angst vor Joe und Maggie, bis ich sie dir vorgestellt habe. Jetzt hast du keine Angst mehr vor ihnen, oder?«
»Na ja, nein …«, gab sie ihm widerstrebend recht. Vor Magpie fürchtete sie sich natürlich nicht mehr, aber zu den seltenen Gelegenheiten, da Joe ins Haus kam, um mit Corin zu sprechen oder Vorräte abzuliefern, die er aus Woodward geholt hatte, spürte sie noch immer ein angespanntes Kribbeln im Bauch. Sein Gesicht wirkte grimmig auf sie, da mochte Corin sagen, was er wollte. In ihren Augen drückten seine Züge Brutalität und Wildheit aus.
»Also, bei den Pferden wäre es ganz genauso. Diese Stute, auf der du geritten bist – Clara. Sie ist sanft wie ein Lamm! Und der Damensattel, den ich dir gekauft habe, hängt in der Kammer und verstaubt … Der Frühling ist da, das Wetter ist besser … Wenn du doch nur mit mir hinausreiten und die Schönheit erleben könntest, mit der Gott dieses unberührte Land gesegnet hat …«
»Ich kann einfach nicht! Bitte versuche nicht, mich dazu zu zwingen. Ich bin viel lieber hier …«
»Bist du das? Bist du gern hier?«, fragte er. Caroline rührte in ihrer Suppe herum und schwieg. »Maggie hat mir erzählt …« Er verstummte.
»Was? Was hat sie über mich gesagt?«
»Dass du nicht nach draußen gehen willst. Dass du immer im Haus bleibst, dass du zu still bist und sie sehr viel Arbeit hat. Caroline … ich …«
»Was ist?«, fragte sie erneut, obwohl ihr davor graute, was er sagen würde.
»Ich will, dass du glücklich bist«, murmelte er kläglich. Er sah sie mit großen Augen forschend an, und sie sah darin nichts als Aufrichtigkeit und Liebe. Sie verabscheute sich einmal mehr dafür, dass sie auch nur gedacht hatte, er könnte sie betrügen, könnte ihren unfruchtbaren Körper übergangen haben, um anderswo einen Sohn zu zeugen.
»Ich …«, begann sie, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte. »Ich möchte auch glücklich sein«, flüsterte sie.
»Dann sag es mir, bitte. Sag mir, was ich tun kann, um dich glücklich zu machen!«, flehte er. Caroline schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Er hatte alles getan, was ein Mann nur tun konnte, um ihr ein Kind zu schenken, aber sie konnte ihm keines geben. Er hatte sie geliebt, sie geheiratet und ihr ein neues Leben geschenkt, und sie konnte ihn nicht noch einmal darum bitten, dieses Leben aufzugeben. »Wir gehen wieder schwimmen. Wir wiederholen unseren Hochzeitsausflug. Gleich diesen Sonntag fahren wir. Zum Teufel mit der Ranch, zum Teufel mit der Arbeit – nur du und ich, meine Liebste. Und diesmal werden wir ein Baby machen, ich weiß es einfach. Was sagst du dazu?«, drängte er. Caroline schüttelte den Kopf und spürte ein Beben im tiefsten Herzen. Es war zu spät, erkannte sie nun. Zu spät für ihren zweiten Hochzeitsausflug. Sie würde niemals zu diesem Teich zurückkehren können, jetzt nicht mehr. Er war zu weit
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