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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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ertrug das unbehagliche Schwei gen zwischen ihr und ihrer Tante. Sie sortierte ihr Gepäck um und packte wieder neu, schrieb Corin einen Brief nach dem anderen und schaute aus dem Fenster. Die Aussicht wurde nun vom neu erbauten Fuller Building dominiert – ein keilförmiges Monstrum, das fast neunzig Meter in den Himmel ragte. Caroline hätte sich nicht träumen lassen, dass Menschen etwas so Gigantisches bauen konnten. Sie starrte das hohe Gebäude an, fühlte sich sehr klein bei dem Anblick, und die ersten Zweifel beschlichen sie. Jetzt, wo Corin fort war, kam es ihr beinahe so vor, als sei er nie hier gewesen, als hätte sie das alles nur geträumt. Sie drehte den Ehering an ihrem Finger herum, runzelte die Stirn und bemühte sich, solchen Gedanken einen Riegel vorzuschieben. Doch was konnte so schrecklich gewesen sein, dass er sie nicht gleich hatte mitnehmen können? Was hatte er zu verbergen – bereute er es, sie übereilt geheiratet zu haben? Sara spürte ihre Sorgen.
    »Es dauert ja nicht mehr lange, Miss«, sagte sie, als sie Caroline den Tee brachte.
    »Sara … würdest du noch einen Moment bleiben?«
    »Natürlich, Miss.«
    »Glaubst du … glaubst du, dass alles gut wird? Im Oklahoma-Territorium?«, fragte Caroline leise.
    »Aber natürlich, Miss! Das heißt … ich weiß es eigentlich nicht genau, weil ich ja noch nie dort war. Aber … Mr. Massey wird gut für Sie sorgen, da bin ich sicher. Er würde Sie nirgends hinbringen, wenn er glaubte, dass Sie sich dort nicht wohlfühlen könnten, bestimmt nicht«, versicherte Sara ihr.
    »Bathilda sagt, ich werde arbeiten müssen. Jedenfalls, bis ich über mein Erbe verfügen kann … werde ich eine Farmersfrau sein«, sagte sie.
    »Ja, Miss, aber kaum eine gewöhnliche Farmersfrau.«
    »Ist die Arbeit denn so schwer? Den Haushalt zu besorgen und all das? Du machst das so gut, Sara – ist es sehr schwer?« Sie hoffte, dass man aus ihren Worten die Angst nicht heraushörte. Sara betrachtete sie mit einer seltsamen Mischung aus Belustigung, Mitleid und Unmut.
    »Es kann schon schwer sein, Miss«, sagte sie tonlos. »Aber Sie werden doch die Hausherrin sein! Sie haben die Freiheit, alles nach Ihrem Gutdünken zu ordnen, und gewiss werden Sie Hilfe im Haushalt haben. Ach, machen Sie sich nicht so viele Gedanken, Miss! Sie brauchen vielleicht eine Weile, um sich an ein ganz anderes Leben zu gewöhnen, als Sie es bisher geführt haben. Aber Sie werden glücklich sein, da bin ich ganz sicher.«
    »Ja. Ja, das werde ich, nicht wahr?« Caroline lächelte.
    »Mr. Massey liebt Sie. Und Sie lieben ihn – wie könnten Sie da nicht glücklich werden?«
    »Ich liebe ihn wirklich«, sagte Caroline, holte tief Luft und drückte Saras Hand. »Ich liebe ihn sehr.«
    »Und ich freue mich so für Sie, Miss«, sagte Sara mit erstickter Stimme, und Tränen traten ihr in die Augen.
    »Oh, bitte nicht, Sara! Ich wünschte so sehr, du könntest mitkommen!«, rief Caroline aus.
    »Das wünschte ich mir auch, Miss«, entgegnete Sara leise und wischte sich mit einem Zipfel ihrer Schürze die Augen.
    Als endlich ein Brief von Corin kam, dessen Worte voll Liebe und Ermunterung waren und in dem er sie bat, sich noch ein klein wenig zu gedulden, las Caroline ihn wieder und wieder, bis sie die Worte schließlich auswendig kannte und sich davon gestärkt fühlte. Als die vier Wochen vorüber waren, küsste sie Bathildas rote Wange und versuchte, irgendein Anzeichen von Bedauern im Verhalten ihrer Tante zu entdecken. Aber nur Sara begleitete sie zum Bahnhof und saß untröstlich schluchzend neben ihrer jungen Herrin, während die Braunen flott durch die geschäftigen Straßen trabten.
    »Ich weiß nicht, wie es ohne Sie werden wird, Miss. Ich weiß nicht, wie ich es in London finden werde!«, weinte das Mädchen. Caroline nahm Saras Hand und verschränkte die Finger mit ihren, zu erfüllt von widerstreitenden Gefühlen, um ein Wort hervorzubringen. Erst als sie vor der Lokomotive stand, die kraftvoll Dampf und Ruß ausstieß und ihre Nase mit dem scharfen Geruch von heißem Eisen und Kohlen füllte – erst da erwachte in ihr das Gefühl, dass es außer ihr noch etwas auf der Welt gab, das sich ebenso auf die Reise freute wie sie. Sie schloss die Augen, als der Zug langsam anfuhr, und mit seinem lauten, ernsten Husten und Stampfen endete ihr altes Leben, und das neue begann.

2
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    Der Bruder meiner Mutter, Onkel Clifford, und seine Frau Mary wollen den alten Wäscheschrank aus dem

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