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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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vorsichtig auf die Hauptstraße ab und sehe eine vertraute Gestalt über den Raureif am Straßenrand laufen. Leichte Kleidung, wie immer – die Hände in den Taschen sind das einzige Zugeständnis an die beißende Kälte. Etwas in mir macht einen Satz. Ich halte an, lasse das Fenster herunter und rufe nach ihm. Dinny schirmt die Augen mit einer Hand gegen die Sonne ab, sodass ich nur noch die untere Hälfte seines Gesichts sehen kann – diesen schmalen, geraden Mund, der so ernst wirken kann.
    »Wo willst du hin?«, frage ich. Die Kälte sticht mir in die Brust und lässt meine Augen tränen.
    »Zur Bushaltestelle«, antwortet Dinny.
    »Ja, das denke ich mir. Und dann? Ich fahre nach Devizes – soll ich dich mitnehmen?« Dinny kommt zum Auto herüber und lässt die Hand sinken. Im starken Sonnenlicht kann ich sehen, dass seine Augen braun sind, nicht schwarz. Sie haben die warme Farbe von Rosskastanien, und in seinem Haar entdecke ich einen rötlichen Schimmer.
    »Danke. Das wäre nett«, sagt er nickend.
    »Einkäufe?«, frage ich, als ich langsam mit von der Kälte trägem Motor wieder anfahre.
    »Ich wollte etwas für das Baby besorgen. Und ich brauche ein paar Vorräte. Und du?«
    »Ich will in die Bücherei – die haben doch sicher einen Internetzugang, oder?«
    »Ich weiß nicht – ich war noch nie drin«, gesteht er ein wenig verlegen.
    »Schäm dich«, necke ich ihn.
    »Es stehen schon genug Dramen in der Zeitung, da braucht man nicht auch noch erfundene Dramen«, erwidert er lächelnd. »Willst du deine E -Mails abrufen?«
    »Ja, aber ich werde auch etwas im Personenstandsregister nachschauen. Ich bin einem Calcott’schen Familiengeheimnis auf der Spur.«
    »Ach ja?«
    »Ich habe eine Fotografie meiner Urgroßmutter Caroline gefunden – erinnerst du dich an sie?«
    »Nicht so richtig. Ich glaube, ich habe sie ein paarmal von ferne gesehen.«
    »Sie war Amerikanerin. Gegen Ende neunzehnhundertvier ist sie herübergekommen und hat Lord Calcott geheiratet, aber dieses Foto, das ich gefunden habe, ist neunzehnhundertvier in Amerika entstanden, und sie hat ein Baby auf dem Schoß.« Ich taste blindlings in meiner Handtasche danach und reiche es ihm. »Anscheinend weiß niemand, was aus diesem Baby geworden ist. Es steht nirgends, dass sie schon einmal verheiratet gewesen wäre, aber ich habe auch einen Brief gefunden, der auf etwas anderes hindeutet.«
    »Na ja, das Baby ist wahrscheinlich gestorben, ehe sie hierherkam.« Er zuckt mit den Schultern.
    »Kann sein, aber ich will das nachprüfen – nur für den Fall, dass der Junge doch irgendwo aufgeführt ist. Wenn ich etwas finde … wenn ich beweisen könnte, dass Caroline ein Kind verloren hat – noch ein Kind, denn wir wissen, dass sie hier in Barrow Storton eine Tochter verloren hat –, könnte das vielleicht erklären, warum sie so war, wie sie war.«
    Dinny sagt nichts dazu. Er betrachtet das Foto mit leicht gerunzelter Stirn.
    »Vielleicht«, sagt er schließlich.
    »Verstehst du, ich versuche herauszufinden, warum ihr Dinsdales den Calcotts – den früheren Calcotts – ein solcher Dorn im Auge wart. Caroline und Meredith meine ich. Ich will dahinterkommen, warum sie sich deiner Familie gegenüber so verhalten haben«, fahre ich fort, denn auf einmal wünsche ich mir seine Unterstützung bei dieser Mission.
    »Ein Dorn im Auge?«, wiederholt er leise. »Das ist eine freundliche Untertreibung.«
    »Ich weiß«, sage ich entschuldigend und wechsle das Thema. »Und, wie geht es Honey?« Wir unterhalten uns eine Weile über seine Schwester, bis ich in Devizes auf den Parkplatz fahren will und auf Menschenmassen und dicht an dicht geparkte Autos stoße.
    »Was ist denn hier los?«
    »Schlussverkauf.« Dinny seufzt. »Versuch es in der Sheep Street.«
    Schließlich parke ich vorsichtig in einer engen Lücke und stoße leicht gegen das Auto neben mir, als ich die Tür öffne. Abgaswolken kräuseln sich gen Himmel, und die Stadt summt von Stimmen und den Schritten zielstrebiger Füße. Das ist mir alles zu laut, und es kommt mir so vor, als hätte sich die Stille auf Storton Manor irgendwie in mich hineingeschlichen. Sie hat mich in einer geheimen Operation erobert, und jetzt habe ich ohne sie das Gefühl, dass mir etwas Lebenswichtiges fehlt.
    »Soll ich dich auch wieder mit zurücknehmen?«, biete ich Dinny an.
    »Wie lange wirst du denn brauchen?«
    »Weiß nicht genau. Etwa anderthalb Stunden? Vielleicht ein bisschen länger?«
    »Ja, gut –

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