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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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hinten, die langen Finger ausgebreitet, damit ich mich daran festhielt. Wenn ich das nicht tat, blieb sie immer stehen und blickte über die Schulter zurück, um sich zu vergewissern, dass ich ihr folgte. In einem Jahr baute Dinny ihr ein Baumhaus in einer hohen Buche am anderen Ende des Wäldchens. Wir hatten ihn tagelang kaum gesehen, und er hatte uns verboten, nach ihm zu suchen. Das Wetter war wechselhaft, der Wind blies kleine Dellen in die Oberfläche des Teichs, und es war zu frisch zum Schwimmen. Wir verkleideten uns in einem der Gästezimmer, bauten in der Orangerie Burgen aus leeren Blumentöpfen und buddelten uns einen Bau in der geheimen, hohlen Mitte der zur Kugel geschnittenen Eibe auf dem oberen Rasenstück. Dann kam die Sonne wieder heraus, wir sahen Dinny von der Ecke des Gartens aus winken, und Beth lächelte mir mit strahlenden Augen zu.
    »Es ist fertig«, sagte er, als wir ihn erreichten.
    »Was ist es denn?«, fragte ich. »Na los – sag schon!«
    »Eine Überraschung«, erklärte er geheimnisvoll und schaute dabei Beth schüchtern an. Wir folgten ihm durch den Wald, und ich erzählte ihm gerade von der Höhle in der Eibenkugel, als ich es sah, und es verschlug mir die Sprache. Wir standen vor einer der größten Buchen, mit silbrig glattem Stamm und Rinde, die Fältchen hatte, wo die Äste abzweigten, genau wie am Ellbogen oder in der Kniekehle. Ich hatte schon öfter gesehen, wie Dinny mit ein paar geübten Schwüngen hinaufkletterte, um weit über mir zwischen den hellgrünen Blättern zu sitzen. Jetzt hatte er hoch oben, wo sich der Baum in viele Äste spreizte, eine breite Plattform aus dicken Brettern gebaut. Die Wände bestanden aus alten, leuchtend blauen Düngersäcken, die an einen Holzrahmen genagelt waren und sich blähten wie Segel. Der Weg hinauf zu dieser Festung bestand aus geknoteten Seilschlaufen und Kantholzstücken, die an den Baum genagelt waren und eine sehr lückenhafte Leiter bildeten. Inmitten der Stille hörte ich das verlockende Rauschen der Brise und das raschelnde Schnappen der Baumhauswände.
    »Wie findet ihr es?«, fragte Dinny und sah uns mit verschränkten Armen an.
    »Es ist genial! Das beste Baumhaus von allen!«, rief ich und hüpfte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
    »Es ist toll – hast du es ganz allein gebaut?«, fragte Beth, die noch immer lächelnd zu dem blauen Haus hinaufschaute. Dinny nickte.
    »Kommt rauf und schaut es euch an – von innen ist es sogar noch besser«, sagte er zu ihr, trat vor den Baum und griff nach dem ersten Halt.
    »Komm schon, Beth!«, drängelte ich, als sie zögerte.
    »Na gut!« Sie lachte. »Geh du zuerst, Erica – ich helfe dir auf den ersten Ast.«
    »Wir sollten ihm einen Namen geben. Du musst ihm einen Namen geben, Dinny!«, rief ich aufgeregt, raffte meinen Rock und stopfte ihn in die Unterhose.
    »Wie wäre es mit ›der Wachturm‹? Oder ›das Krähennest‹?«, schlug er vor. Beth und ich stimmten zu: Das Krähennest, so sollte es heißen. Beth stemmte mich zum ersten Ast hoch, und meine Sandalen scharrten Striemen in die pudrigen grünen Algen, doch ich konnte den nächsten Halt nicht erreichen. Meine Fingerspitzen krümmten sich über die Sprosse, die Dinny an den Baum genagelt hatte, sie war aber viel zu weit weg, als dass ich mich sicher daran festhalten konnte. Dinny kam zu mir auf den ersten Ast und ließ mich auf sein gebeugtes Knie treten, damit ich drankam, aber dann reichte mein Bein nicht bis zur nächsten Sprosse.
    »Komm runter, Erica«, rief Beth schließlich, als ich ganz rot und zornig und den Tränen nahe war.
    »Nein! Ich will hochklettern!«, protestierte ich, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Du bist zu klein! Komm runter!«, beharrte sie. Dinny entzog mir sein Knie und sprang vom Baum, und mir blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Ich rutschte hinunter und starrte in finsterem Schweigen auf meine dummen, zu kurzen Beine hinunter. Ich hatte mir das Knie aufgeschrammt, war aber zu niedergeschlagen, um mich für den klebrigen Wurm aus Blut zu interessieren, der sich an meinem Schienbein hinabwand.
    »Na dann, Beth? Kommst du mit rauf?«, fragte Dinny, und ich sank innerlich zusammen, weil ich ausgeschlossen wurde und mir das wunderbare Baumhaus entging. Doch Beth schüttelte den Kopf.
    »Nicht, wenn Erica nicht rauf kann«, sagte sie. Ich blickte zu Dinny auf, schaute aber schnell wieder weg, wandte mich ab von der Enttäuschung in seinem Blick und dem Ausdruck, den sein

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