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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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den Schlauch und richtete den Strahl auf uns, kaum dass die Erwachsenen sich zurückgezogen hatten. Er spritzte uns nass und ließ uns nicht ans Becken heran. Ich weiß noch, dass ich unbedingt da hineinwollte, mir die Füße nass machen. Aber zu meinen Bedingungen. Ich wollte nicht nassgespritzt werden. Ich wollte mit den Füßen zuerst hinein, und dann der Rest, ganz langsam. Jedes Mal, wenn ich in die Nähe kam, spritzte er nach mir. Das Wasser reichte ihm bis zu den Knöcheln, und seine weißen Füße schienen sich darin zu wellen. Auch sein Körper war weiß und sah weich aus, mit leicht vorgewölbten Brustwarzen, die nach unten zeigten. Dann ließ er den Schlauch sinken und versprach mir, dass er aufhören würde. Er schwor einen Eid, dass ich jetzt in Ruhe hineinsteigen könne, dass er nicht mehr spritzen würde. Ich ließ ihn erst den Schlauch auf den Boden legen, ehe ich vorsichtig ins Becken kletterte. Eine Sekunde ekstatischer Kälte an meinen Füßen, dann packte Henry mich, klemmte meinen Kopf unter seinen Arm, hob den Schlauch auf und hielt ihn mir direkt ins Gesicht. Wasser schoss in meine Nase, in die Augen, eiskalt, und ich bekam keine Luft. Beth schrie ihn vom Rand aus an. Ich hustete und kreischte, bis Mum nachschauen kam.
    Wenn Beth doch endlich aus dem Haus kommen würde. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass frische Luft bei Depressionen das beste Heilmittel ist. Ein belebender Spaziergang in der freien Natur. Als wäre die Depression eine Verdauungsstörung, der man mit Bewegung abhelfen kann. Ich bin nicht so sicher, ob das zu dieser Jahreszeit funktionieren würde, wenn einem der Wind bis in die Seele fährt, aber alles muss besser sein, als in diesem Haus herumzugeistern. Auf dem Pflanztisch finde ich einen Holzkorb und eine Gartenschere und gehe los, in Richtung Wald.
    Ich mache einen kleinen Umweg zum Teich. Das tue ich fast jeden Tag. Irgendwie zieht es mich hierher. Ich bleibe am steilen Ufer stehen und trete Kalkbröckchen und Kieselsteine hinein. Vage Spuren einer Erinnerung steigen in mir auf, wenn ich hier stehe. Wo auch immer ich mich auf Storton Manor befinde, kommen mir solche Spuren, Andeutungen in den Sinn – kleine Schnappschüsse, ausgelöst von einem bestimmten Ausblick, einem Geruch, einem Zimmer. Einem Band hinter dem Bettpfosten. Gelben Blüten auf einem Kopfkissenbezug. Jeder Schritt hilft der Erinnerung nach. Und hier an dem Teich ist etwas, woran ich mich erinnern sollte, an etwas anderes als an Spielen und Schwimmen, als an den Reiz des Verbotenen. Ich schließe die Augen, gehe in die Hocke und umschlinge meine Knie. Ich konzentriere mich auf den Geruch von Wasser und Boden, auf die Geräusche der Bäume über mir. Ich kann einen Hund bellen hören, weit entfernt, vielleicht im Dorf. Da ist ganz sicher irgendetwas , etwas, das ich wieder wissen will. Ich strecke blindlings die Finger aus, bis sie das Wasser berühren. Seine beißende Kälte dringt bis an die Knochen. Ich stelle mir vor, wie es fester wird und Eiskristalle harte Stränge darin bilden. Eine Sekunde lang packt mich die alte Angst, hinabgesogen zu werden. Denn wenn das Wasser vom Grund des Teichs aufsteigen konnte, aus dem Nichts, wie durch Magie, dann müsste das doch auch umgekehrt gehen? Ein riesiges Abflussloch. Daran dachte ich manchmal beim Schwimmen. Ein köstliches Schaudern, wie wenn man im Meer schwimmt und plötzlich an Haie denken muss.
    Am Rand der Kreidehügel, wo die Bäume aufhören, senkt sich der Boden zu einem steilen, runden Kessel ab. Die Senke, wie aus der Erde gelöffelt, ist dicht mit Weißdorn, Schlehen und Holunder bewachsen, alle kreuz und quer mit Waldreben verschlungen. Hier setzt sich der Frost tiefer nieder und hält länger. Ich suche mir als Ziel einen Ilex genau in der Mitte aus, dessen Beeren in dem farblosen Gewirr wie Juwelen leuchten, aber ich komme nicht weit. Ich steige hinunter, rutsche auf den feuchten Grasbüscheln aus, und als ich vor dem Dickicht stehe, sehe ich keinen Weg hinein. Die Luft hier ist still und merklich kälter. Mein Atem bildet Dampfwölkchen vor meinem Gesicht, während ich um die Senke gehe und nach einem Weg ins Innere suche. Ich sehe nichts, nur die steile Wand und den Rand, wo sie dem Himmel begegnet. Nach einem einzigen Versuch, mich durchzuschlagen, ziehe ich mich übel zerkratzt zurück.
    Ich gehe wieder hinauf in den Wald und habe noch nichts in meinem Korb außer ein paar Ranken weiß geäderten Efeus aus dem Garten. Dies ist kein

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