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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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ins Haus, mit Graupelkörnchen an den Augenbrauen, doch er fand selbst dann noch ein Lächeln für seine Frau, wenn er verkündete: »Ein höllischer Nordwind weht da draußen!«
    Caroline wäre früher über eine solche Ausdrucksweise schockiert gewesen, heute jedoch nicht mehr. Dennoch runzelte sie leicht die Stirn, aus reiner Gewohnheit, und zog ihr Schultertuch fester um sich, weil mit ihrem Mann ein Schwall kalter Luft ins Haus gekommen war. Sie, die nie geglaubt hätte, dass sie die sommerliche Hitze einmal vermissen würde, sehnte sich auf einmal nach der Sonne.
    Sie verabschiedeten das Jahr 1902 und hießen das neue Jahr mit einer Party bei den Fossets willkommen, zu der alle benachbarten Rancher, ihre Familien und Arbeiter eingeladen waren. Die Nacht war still und trocken, die Luft hing wie eine kalte Decke über dem Land, und auf der Fahrt im offenen Buggy wurden Carolines Finger, Zehen, Nase und Ohren taub vor Kälte. Es schien kein Mond, und die Laterne an ihrer Kutsche erleuchtete die Prärie nur ein paar Meter weit. Die Dunkelheit um sie herum war wie ein lebendiges Wesen, wie etwas aus Fleisch und Blut, das sie beobachtete. Caroline drückte sich zitternd enger an Corin. Hinter sich hörte sie den Hufschlag der Viehtreiber von der Massey-Ranch, die so dichtauf ritten, als fühlten auch sie sich verfolgt. Als die Fosset-Ranch endlich vor ihnen in Sicht kam, deren Lichter hell in die Nacht hinausschienen, stieß Caroline insgeheim ein kurzes Dankesgebet aus und atmete auf.
    Mehrere Feuer brannten auf dem Hof, Fleisch rauchte und zischte auf großen Rosten, und eine Menge Menschen und Pferde strömten an dieser Oase aus Licht und Leben inmitten der toten, dunklen Prärie zusammen. Corin wurde mit Handschlag und Schulterklopfen begrüßt, und bald waren sie in die freundliche Runde ihrer Nachbarn eingetaucht. Ein Akkordeon, eine Fidel und eine Trommel spielten in der Scheune auf, und die Hitze der tanzenden Leiber erwärmte sie und füllte sie mit dem primitiven Geruch von Atem und Schweiß. Angies Kinder hatten aus einem zerrissenen alten Betttuch ein Banner gemacht und selbst bemalt, das nun über dem Tor hing. Es trug die unbeholfene Aufschrift Frohes neus Jar! und schwankte in der trägen Luft leicht hin und her. Angie hatte zwei Töchter, zwölf und acht Jahre alt, und einen kleinen Jungen von vier Jahren mit dem roten Haar seiner Mutter und den blauesten Augen, die man je gesehen hatte. Selbst während sie tanzte und lachte und redete, behielt Angie diesen vollkommenen, fröhlichen kleinen Burschen im Auge, und als sie sah, dass Caroline ihn bewundernd beobachtete, rief sie ihn herbei.
    »Kyle, das ist unsere liebe Nachbarin Caroline Massey. Also, was sagst du zu ihr?«, flüsterte sie dem Jungen zu, hob ihn hoch und setzte ihn sich auf die Hüfte.
    »’freut Sie kenn’zulernen, Missus Massey«, nuschelte Kyle schüchtern um die Finger in seinem Mund herum.
    »Oh, ich freue mich auch, dich kennenzulernen, Kyle Fosset«, entgegnete Caroline lachend, nahm die Hand, die er gerade nicht im Mund hatte, und schüttelte sie leicht. Angie setzte ihn wieder ab, und er watschelte auf seinen kurzen, stämmigen Beinchen unbeholfen davon. »Ach, Angie! Was für ein wunderschönes Kind!«, rief Caroline aus, und Angie strahlte.
    »Ja, er ist mein kleiner Engel, und glauben Sie mir, das weiß er ganz genau!«
    »Und die Mädchen … Sie müssen so stolz auf …«, begann Caroline, doch ihre Stimme bebte so sehr, dass sie nicht weitersprechen konnte.
    »He, he, nicht doch! Wir feiern heute das neue Jahr und all die wunderbaren Dinge, die es bringen wird. Verstehen Sie?«, sagte Angie bedeutungsvoll. »Auch für Sie wird der Tag kommen. Sie müssen nur Geduld haben. Verstanden?« Caroline nickte und wünschte, sie könnte so zuversichtlich sein, wie Angie klang.
    »Mrs. Massey? Würden Sie mit einem raubeinigen alten Reiter wie mir tanzen?«, fragte Hutch, der plötzlich an ihrer Seite erschienen war.
    »Aber natürlich!« Caroline lächelte und trocknete sich hastig die Augen mit den Fingerspitzen. Die Band spielte ein Stück nach dem nächsten, ohne Pause, und Hutch führte sie durch einen wiegenden Tanz, der entfernt an einen Walzer erinnerte. Der große Raum war ein Meer fröhlicher Gesichter, einige alles andere als sauber, und Caroline dachte an den Ball der Montgomerys zurück. Seither war noch kein Jahr vergangen, und doch erschien er ihr wie aus einem anderen Leben.
    »Ist alles in Ordnung, Mrs. Massey?«,

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