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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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»So etwas habe ich noch nie gesehen. Er geht einfach schnurstracks zu dem Nest und steckt den Arm hinein, ohne ein einziges Mal gestochen zu werden.«
    »Irgendwelche indianische Magie vielleicht?«
    »Entweder das, oder er hat einfach eine derbere Haut als jeder andere Mensch«, entgegnete Corin. Caroline dachte darüber nach – Joe mit seinen unerbittlichen schwarzen Augen und einer Haut wie Baumrinde. Sie schauderte und fragte sich, wie Magpie es ertragen konnte, bei ihm zu liegen.
    »Corin?«
    »Ja?«
    »Seit unserer Hochzeit ist jetzt über ein Jahr vergangen, weißt du, und … na ja, wir waren nie wieder schwimmen, wie damals bei unserem Ausflug.«
    »Ich weiß. Ich weiß, Caroline. Es ist nur so schwer, Zeit dafür zu finden«, sagte Corin. Er lehnte den Kopf an die Wand, und sein Gesicht war noch verschlafen.
    »Können wir wieder dorthin fahren? Bald? Ich … Ich möchte gern einen Tag mit dir verbringen. Einen ganzen Tag … das tun wir so gut wie nie! Du hast so viel Arbeit auf der Ranch.«
    »Also, ich weiß nicht, Caroline. Um diese Jahreszeit ist einfach so viel zu tun! Wir haben die dümmste Herde Rindviecher, die ich auf dieser Ranch je gesehen habe. Sie durchbrechen ständig die Zäune, irren durch die Gegend und bleiben im Bach stecken oder im Stacheldraht hängen und was weiß ich nicht alles. Vielleicht in einer Woche. In ein oder zwei Wochen … was sagst du?«
    »Du hast es mir versprochen«, sagte sie leise.
    »Und wir werden unseren Ausflug machen. Ganz bestimmt«, versicherte er ihr.
    Bald danach stand er auf, zog seine Kleider über, strich mit der Hand sacht über Carolines Haar und küsste sie auf den Scheitel, ehe er in die Küche ging, um Kaffee zu kochen. Caroline saß da und lauschte dem Klappern der Kaffeebohnen, dem Scheppern des Kessels, der auf den Herd gestellt wurde, und eine eigenartige Erschöpfung überkam sie. Einen Moment lang glaubte sie, sie hätte nicht mehr die Kraft, aufzustehen und einen weiteren Tag bis zum Ende durchzustehen. Jeder Knochen in ihrem Körper schien aus Blei zu sein. Doch sie holte tief Luft, und sie stand auf und begann sich langsam anzuziehen.
    Ende September erschien Joe eines nassen Nachmittags vor dem Haus, den Hut in der Hand, die Augen gegen den tropfenden Regen zusammengekniffen. Er strahlte wie immer diese unerschütterliche Ruhe aus. Caroline lächelte, doch sie konnte nicht anders, als vor ihm zurückzuweichen, und dabei sah sie, wie sein Blick hart wurde.
    »Magpies Zeit ist da. Sie bittet darum, dass Sie kommen«, sagte Joe.
    »Wohin kommen? Warum denn?«, fragte Caroline, die ihn nicht verstand.
    »Zu ihr kommen. Und dem Baby helfen«, erklärte Joe mit seinem kehligen Akzent. Sein Tonfall war so neutral wie sein Gesichtsausdruck, doch irgendetwas sagte Caroline, dass er mit der Bitte seiner Frau nicht unbedingt einverstanden war. Sie zögerte und spürte ihr Herz schneller schlagen. Sie würde in die Erdhütte gehen müssen. Sosehr Caroline es inzwischen auch gewöhnt war, Magpie im Haus zu haben – diese niedrige, halb in den Boden gegrabene Behausung kam ihr immer vor wie der Bau irgendeines Tieres.
    »Ich verstehe«, sagte sie leise. »Ich verstehe.«
    »Damit macht sie Ihnen große Ehre«, erklärte Joe ihr feierlich. »Solche Arbeit ist nur für die Familie.«
    Nach einer erstarrten Pause, in der Caroline von Joes undurchdringlichem Blick fixiert wurde, ging sie wieder ins Haus. Sie drückte sich den Hut auf den Kopf, legte ihre Schürze ab und spürte Panik wie kleine Bläschen in ihrer Kehle aufsteigen. Sie wusste nicht das Geringste über Geburten und hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, um dabei zu helfen. Sie war nicht sicher, dass sie überhaupt dabei helfen wollte.
    Draußen zeigte Joe das erste und einzige Anzeichen von Ungeduld, das Caroline je bei einem der Ponca gesehen hatte. Er drehte den Hut in den Händen und blickte über die Schulter dorthin, wo seine Frau in den Wehen lag. Als Caroline das sah, spürte sie einen schuldbewussten Stich und eilte hinaus. Sie blickte fest zu Boden, während sie neben Joe herlief, damit sie die erschreckende Weite des Landes um sie herum nicht sehen musste. Seit ihrem Versuch, zur Farm der Moores zu laufen, empfand sie ein schwindelerregendes Grauen vor der Leere von Woodward County. Die Weite der Landschaft schien ihre Gedanken auseinanderzureißen und baute einen unerträglichen Druck hinter ihren Augen auf. Sie spürte den Drang, zu rennen, wieder ins Haus zu flüchten, ehe sie

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