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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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hingerissen auf die Kreatur.
    Ein kurzhaariger, zimtroter Pelz bedeckte den Körper des katergroßen Wesens, außer dem nackten schwarzen Gesicht und dem Kopf mit weißen wuscheligen Haaren. Die übergroßen, leicht hervorstehenden bernsteinfarbenen Augen verliehen ihm einen comichaften Gesichtsausdruck, wie bei einem Lemur oder einem Baby, das in einem immerwährenden Zustand des Staunens erstarrt war. Ein nach unten geschwungener weißer Schnurrbart und ein langer dichter Kinnbart vermengten sich an Hals und Brust zu einem bauschigen weißen Pelzknäuel.
    Eine unbekannte Spezies, dachte Mason. Vielleicht ein neuer Lemur, obwohl ihr der buschige Schwanz fehlte. Oder vielleicht ein Cousin des goldenen Tamarin-Löwenaffen, aber nein, auch dazu fehlte ihr der Schwanz. Für ihn sah die Kreatur am ehesten aus wie eine Kreuzung zwischen einem alten chinesischen Weisen und einem der glubschäugigen Babys, die einem in Tijuanas schäbigen Motelzimmern aus Kitschgemälden entgegenstarrten.
    »Kleiner Bruder, ich habe Gäste mitgebracht«, sagte K’un-Chien. Der Junge schaute auf und öffnete überrascht den Mund. Er legte seinen Pinsel in ein Holzschälchen und winkte die drei lächelnd zu sich. »Willkommen, willkommen.«
    K’un-Chien stellte die drei einander vor, und jeder verneigte sich vor dem anderen.
    »Ich habe viel über euch gehört und wollte euch so gerne kennen lernen«, sagte Meng Po, »aber ich dachte nicht, so bald mit eurem Besuch gesegnet zu werden.«
    Meng Po bedeutete ihnen, auf einem Sofa Platz zu nehmen, dessen Seidenkissen mit bunten Schmetterlingen und Hibiskusblüten bestickt waren. Der Junge zog einen Mahagonischemel dicht an die Gitterstäbe und setzte sich. Er streckte den Arm nach hinten. »Kiki!«
    Das schöne Tier ließ seinen Pinsel auf die Schriftrolle fallen, kam herbeigelaufen und kletterte auf Meng Pos Schulter.
    Meng Po und sein Haustier beäugten Mason. Mason erkannte in den großen schwarzen Augen des Jungen dieselbe Unschuld wie im bernsteinfarbenen Blick seines pelzigen Kameraden.
    »Du bist ein Mann«, sagte Meng Po. »Genau wie ich.«
    »Ja, wir sind eine Zweierbruderschaft.«
    »Ah, du sprichst die Sprache der Menschen.« Meng Po klopfte sich auf die Knie. »Das hatte ich bereits gehört. Gut, gut. Es gibt so vieles, das ich dich über deine ferne Welt fragen möchte.« Er schaukelte auf seinem Schemel hin und her. »Dies ist ein großartiger Tag.«
    Mason erwiderte Meng Pos Lächeln. »Nachdem ich wochenlang in einem Meer aus Frauen dahintrieb, bin ich erleichtert, endlich einen anderen Mann zu sehen, ganz gleich, wie alt er ist.« Während er die Worte sprach, fragte er sich, wie es wohl sein mochte, ein elfjähriger Junge zusein, der nur selten, wenn überhaupt, einen anderen Mann zu Gesicht bekam. Welchen Vorbildern eifert der Junge nach? Dem seiner Tanten und Cousinen? Wer kämpft und ringt mit ihm und bringt ihm bei, was es bedeutet, ein Mann zu sein? Der kleine Kerl tat ihm Leid.
    Meng Po studierte Trees Gesicht. »Man hat mir natürlich von deiner Schönheit berichtet«, sagte er. »Es heißt, deine Augen seien kristallgrün wie Topas, deine Haare golden wie durch Honig fallender Sonnenschein. Jetzt sehe ich, dass diese Worte deine Schönheit einfangen wie ein Netz, mit dem man Wasser zu schöpfen versucht.«
    »Vielen Dank«, sagte Tree und errötete ein wenig. »Mir wurde nie ein so lyrisches Kompliment gemacht.«
    Die lemurartige Kreatur sprang von der Schulter des Jungen und lief durch den Käfig zu einem blühenden Jasminstrauch, der in einer Porzellanurne im Ming-Stil eingetopft war. Fasziniert beobachtete Mason, wie die Kreatur mit ihren scharfen Schneidezähnen vier duftende gelbe Blüten abbiss und zurückeilte und wieder auf Meng Pos Schulter kletterte. Dann schob das Äffchen seinen langen schlanken Arm durch die goldenen Gitterstäbe und reichte Tree die Blüten. Seine bernsteinfarbenen Augen, groß wie Mandarinen, blinzelten sie treuherzig an.
    Meng Po strich dem Tier über den weißen Haarschopf. »Kiki möchte einem Garten Blumen schenken.«
    Lächelnd nahm Tree die Jasminblüten. »Danke, Kiki. Mein Gott, bist du süß, du pelziges kleines Kuscheltier.«
    Die Kreatur drehte sich auf Meng Pos Schulter dreimal um die eigene Achse und klatschte in die pelzigen Händchen.
    »Er mag dich«, sagte Meng Po. »Er ist selten so nett zu Besuchern. Außer natürlich zu K’un-Chien.«
    »Tree liebt Tiere«, sagte Mason. »Vielleicht spürt Kiki das. Ist es ein

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