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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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May-Son?«
    »Natürlich tust du das. Ich hoffe, du missverstehst nicht, was ich dir zu sagen versuche.«
    »Wenn eine Frau ihrem Mann nicht gehört«, fragte K’un-Chien, »wem gehört sie dann?«
    »Der Erde – dem Leben. Deinem Herzen.«
    Ihre Stimme zitterte. »Bevor du mich erwählt hast, May-Son, gehörte ich niemandem außer meiner Einsamkeit. Ich war eine Ausgestoßene. Es ist gut, zu dir und zu Erste Frau zu gehören. Bitte, sag nicht, dass –«, ihre Stimme brach, »ich – dir – nicht – gehöre.«
    K’un-Chien schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Mason und Tree traten zu ihr und legten die Arme um sie.
    »Schhhh«, sagte Mason. »Natürlich gehörst du zu uns. Freunde gehören zueinander.« Er küsste sie auf die Stirn. Ihr Haar duftete nach Jasmin.
    Tree strich K’un-Chien eine schwarze Strähne aus dem Gesicht. »Mason wollte nicht sagen, dass er dich zurückweist …«
    »Überhaupt nicht«, sagte Mason.
    »Ich auch nicht. Vielleicht habe ich mich dir gegenüber zu formell verhalten … Tatsache ist, dass ich dir sehr dankbar bin für das, was du für mich getan hast.«
    »Erste Frau war nicht zu formell«, sagte K’un-Chien. »Du warst sehr gnädig.«
    »K’un-Chien, du gehörst mir«, sagte Mason. »Und ich gehöre dir. Deswegen möchte ich, dass du dich bei mir völlig frei fühlst. Bei uns.«
    K’un-Chien löste sich aus Trees und Masons Armen und verneigte sich fast bis zum Boden. »Vielen Dank, May-Son, Erste Frau. Mit eurer Erlaubnis werde ich versuchen, mich so frei wie möglich zu fühlen.«
    Mason sah Tree an und seufzte. »Kannst du mir helfen, ihr klarzumachen, was ich meine?«
    »K’un-Chien, Mason sagt nur, dass er dich nicht einschränken oder herumkommandieren möchte. Er möchte nicht dein Gebieter sein. Aus Masons Sicht steht es uns ebenso frei wie ihm, zu kommen und zu gehen, wann es uns beliebt. Du brauchst seine Erlaubnis nicht.«
    K’un-Chien runzelte die Stirn. »Aber – er ist ein Mann, und er ist älter als wir – und wir sind seine Ehefrauen. Wird er uns noch genauso ehren, wie er seine Eltern ehrt?«
    »Ha. Da würden meine Eltern aufheulen«, sagte Mason auf Englisch. »Weißt du noch, wie ich mit ihnen wegen jedem Scheiß rumstreiten musste?«
    »Verwirre das arme Mädchen nicht«, sagte Tree.
    Mason sagte zu K’un-Chien: »Ich bringe dir dieselbe Ehrerbietung entgegen, die ich einem echten Freund entgegenbringe.«
    Tree nickte. »Bitte, nimm unsere Freundschaft an«, sagte sie, »als eine Gleiche unter Gleichen.«
    K’un-Chien schüttelte den Kopf, doch ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Ihr beiden habt so seltsame Einfälle.«
    »Das liegt daran, weil wir ungebildete Barbaren sind«, sagte Mason. »Wir wurden nicht nach der Lehre des K’ung Fu-Tse erzogen.« Er verwendete die Mandarin-Aussprache für Konfuzius.
    Gib hatte ihm einmal die strenge soziale Hierarchie im alten China erklärt, die von Konfuzius vor fünfundzwanzig Jahrhunderten etabliert worden war. Konfuzius hatte Verhaltensnormen für Familie und Gesellschaft aufgestellt. Er war sogar so weit gegangen zu bestimmen, wie und in welchem Ausmaß Zuneigung zum Ausdruck gebracht werden durfte: ein gewisses Maß an Liebe für einen Hund; ein anderes Maß für eine Tochter, wieder ein anderes für einen Sohn, einen älteren Bruder, einen jüngeren Bruder, für den Vater, die Mutter und so weiter. Außerhalb dieser engen Grenzen Zuneigung zu zeigen oder zu empfinden sei schandhaft, schrieb der Philosoph, und würde die harmonische soziale Ordnung ins Chaos stürzen. Seine Beschreibung einer idealen Gesellschaft lautete: »Unter dem weiten Himmelsdach folgen alle Fuhrwerke derselben Spur, Bücher denselben Schreibregeln, das Verhalten der Menschen derselben Ethik.«
    Der Aufstieg Amerikas beruhte auf einer antiethischen Sichtweise: »Alles Vergangene lassen wir hinter uns«, hatte Walt Whitman insistiert. Amerikaner hatten ihre Nation stets als Land der unbegrenzten Möglichkeiten gefeiert, in dem Schwärme von Einwanderern ihre Namen geändert hatten, ihre Standpunkte und Schicksale, ohne ein einziges Mal zurückzuschauen. In Amerika konnten nur die wenigsten ihren Familienstammbaum über ihre Urgroßeltern hinaus zurückverfolgen, und die meisten interessierte es auch nicht. Im Gegensatz dazu hatten die alten Chinesen größten Wert auf Kontinuität gelegt und ihr Erbe buchstäblich angebetet – sie hatten immer danach gestrebt, dem Großartigsten nachzueifern, und das

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