Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
Vom Netzwerk:
›er‹?«
    Meng Po zog mit den Fingern das weiche Fell auseinander, so dass die männlichen Genitalien der Kreatur sichtbar wurden. »Zum Glück«, sagte er. »Es ist gut, wenigstens einen männlichen Freund zu haben.«
    »Wie nennt man diese Spezies?«, fragte Tree.
    »Jindaoki – der Weisheitsaffe.«
    »Ha. Genauso hätte ich ihn auch genannt«, sagte Mason. »Für mich sieht Kiki aus wie ein kleiner alter chinesischer Weiser.«
    Meng Po lachte. »Der Name seines Vaters war Lao Tzu, der seiner Mutter Guan Yin; du siehst, andere waren derselben Meinung wie du.«
    Der Weisheitsaffe hob einen kurzen Bambusstock auf, legte ihn wie eine Lanze an seine Schulter und begann, steifgliedrig in seinem vergitterten Zuhause herumzumarschieren. Mason sah verblüfft zu.
    Meng Po lachte. »Er heischt um deine Aufmerksamkeit – er imitiert den Hauptmann der Wachen.«
    Mason stieß einen Pfiff durch die Zähne aus. »Dort, wo ich herkomme, hat man eine solche Kreatur noch nie gesehen – noch nicht mal von ihr gehört.«
    »Bei euch gibt es keine Weisheitsaffen?«, fragte Meng Po. »Wie farblos meine Welt ohne meinen süßen Kiki wäre.« Der Junge breitete die Arme aus, und der kleine Affe ließ den Stock fallen, eilte herüber und sprang ihm an die Brust. »Er ist mein Freund und Vertrauter. Wenn ich Kaiser bin, werde ich ihn zum Spielminister ernennen.« Er küsste den Affen auf die barhäutige schwarze Wange. »Wir sind wie Brüder, stimmt’s, Kiki?« Das Tier schnatterte, seine scharfen weißen Zähne entblößend, und gab dem Jungen einen Kuss.
    »Er scheint ziemlich intelligent zu sein«, sagte Tree. »Ich kenne keine anderen Affen, die so schlau sind wie deiner, nicht mal Schimpansen.«
    »Schim-pan-sen?«
    »Ein schwanzloser Affe wie Kiki, aus einem Land namens Afrika«, sagte Mason. »Weil unsere Menschen den Affen der Weisheit nicht kennen, halten sie Schimpansen für die intelligentesten aller Affen. Jetzt weiß ich, dass wir uns die ganze Zeit getäuscht haben.«
    »Mason, schau – das sind Fingernägel, keine Klauen«, sagte Tree auf Englisch.
    »Ist mir auch aufgefallen«, sagte er. »Lori-Halbaffen und westafrikanische Lemuren haben Fingernägel – und ebenfalls keine Schwänze. Könnte er zu einer der beiden Gattungen gehören?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er ist einfach wunderschön. Ich kann noch immer nicht fassen, wie sehr er wie ein kleiner alter Mann mit einem weißen Rauschebart aussieht.«
    »Ich frage mich, ob Domino schon auf diese Kerlchen gestoßen ist. Er würde ausflippen. Es wäre eine Wahnsinnsentdeckung für ihn – ein mächtiger Sprung auf der Karriereleiter.«
    »Domino ist wahrscheinlich zu sehr mit seinem Harem beschäftigt, um den Zoologen zu mimen«, sagte Mason. »Sechzig Ehefrauen.«
    Gebannt lauschte Meng Po den fremdartigen Lauten aus ihren Mündern. »Eure Sprache klingt sehr grob«, sagte er. »Als würdet ihr aus euren Eingeweiden heraus sprechen.«
    Mason kicherte. Für das chinesische Ohr mussten die nordisch-germanischen Laute des Englischen tatsächlich überraschend hart klingen. Mandarin war, wie alle orientalischen Sprachen, eine tonale Sprache, in der selbst die Tonhöhe von Bedeutung war, so dass ein einziges Wort ein halbes Dutzend Dinge ausdrücken konnte, je nachdem, welche Tonhöhe man dem Wort verlieh.
    »Finde ich auch«, sagte Mason. »Chinesisch ist viel melodischer.«
    »Kleiner Bruder, ist deine Schriftrolle fertig?«, fragte K’un-Chien.
    »Fast. Dies wird die längste und beste.«
    »Was steht drauf?«, fragte Mason.
    »Es ist ein Buch der Poesie«, sagte Meng Po. »Mögen die Menschen Poesie, dort wo ihr herkommt?«
    Mason blickte Tree an. »Wir beide mögen Poesie sehr.«
    »Sag uns ein Gedicht auf, Kleiner Bruder«, sagte K’un-Chien.
    »Gerne.« Meng Po räusperte sich, schloss die Augen und sprach in langsamen melodischen Worten:
    Goldstäbe im Licht
Der Leib Helldunkel gestreift
Träume von Tigern
    »Wundervoll«, sagte Tree. »Ein Haiku.«
    »Dann wissen Barbaren also, was ein Haiku ist?«, fragte Meng Po. »Sie stammen aus dem Land der aufgehenden Sonne und gelangten über die See ins Reich der Mitte.«
    »Einige von uns wissen, was ein Haiku ist. Ein dreizeiliges Gedicht. Die erste Zeile besteht aus fünf Silben, die zweite aus sieben, die dritte wieder aus fünf.«
    Meng Po grinste und applaudierte, und Kiki sprang auf, klatschte in die Hände und drehte sich dreimal herum.
    Tree legte eine Hand auf Masons Knie. »Er ist

Weitere Kostenlose Bücher