Das Geheimnis am goldenen Fluß
Löwenkopf- und Fächerschwanzfischen.
Tree setzte sich auf eine Steinbank nahe an Masons Lieblingsterrain in dem Garten: ein Bonsaiwald aus tropischen Miniaturbäumen. Für Mason sah das Wäldchen aus, als würde gleich ein zwei Zentimeter langer Jaguar aus dem Halbdunkel kommen und sein juckendes Fell an der rauen Rinde einer vielleicht dreißig Zentimeter hohen Holmeiche reiben.
Tree klopfte einladend auf die mit rotem Feldspat geäderte Bank aus hellem Sandstein.
»Nein danke, ich stehe lieber und tigere auf und ab, wenn du nichts dagegen hast.«
»Okay. Also, Folgendes habe ich von K’un-Chien erfahren«, sagte Tree. »Ich stellte ihr ein paar Frauenfragen, du weißt schon. In einigen Tagen fängt meine Regel an, und ich wollte wissen, was die Frauen hier als Tampon benutzen. K’un-Chien sagte, sie nähmen spezielle Baumwollpfropfen, die von Tigerfrauen für andere Tigerfrauen hergestellt würden. Ich fand seltsam, dass sie nur von Tigerfrauen sprach, deswegen fragte ich, was mit den Drachenfrauen sei. Sie sah verwirrt aus, und dann lachte sie und fragte, ob das ein Witz sei. Schließlich sagte sie: ›Drachenfrauen haben keine Mondblutung.‹«
Masons Kinnlade fiel herunter, und er blieb abrupt stehen.
»Genau«, sagte sie. »Es traf mich wie ein Faustschlag.«
»Ich fasse es nicht, die halbe Bevölkerung ist männlich. Die Drachenfrauen – keine Eierstöcke, keine Gebärmutter, deswegen kein Monatszyklus.«
»Mir fiel ein, was du mir über Männer mit einer Androgen-Blockade sagtest«, sagte Tree. »Du meintest, die Urform des Menschen sei weiblich, und ohne spezielle männliche Geschlechtshormone werde jeder Fötus als Mädchen geboren, selbst wenn er XY-Chromosomen habe. Du sagtest, dass Männer, die nicht auf ihre Geschlechtshormone ansprechen, nicht nur wie Frauen aussähen, sondern tendenziell groß und auffallend schön seien.«
»Die Drachenfrauen – die Soldaten – sind fast alle größer als Tigerfrauen.«
Sie nickte. »Und die Soldaten sind ausnahmslos Drachenfrauen, ist dir das aufgefallen? Tigerfrauen werden keine Soldaten.«
»Und nur Drachen und Tiger heiraten. Alle Paare sind Drachen-Tiger-Paare.«
»Stimmt. Wenn die Kinder in die Pubertät kommen, beginnt die Aufteilung in Drachen und Tiger, je nachdem, ob sie einmal im Monat bluten oder nicht.«
Mason lief in Kreisen, zwirbelte seine Locken zwischen den Fingern, zog die Locken gerade und ließ sie wieder los; sie sprangen wie weiche Federn in ihre Ursprungsform zurück.
»Okay, hör zu. Die Puzzleteile fügen sich zusammen«, sagte er. »Ich fand heraus, dass sich die Kaiserin am Beginn jeder ihrer Schwangerschaften mit dem Ling-Chih einreibt, um das Schicksal ihrer Söhne vorherzusehen. Allen anderen Frauen ist es verboten, den Pilz in dieser Weise zu benutzen.«
»Dann ist es das, was außer der Kaiserin keine andere Frau tut.«
»Genau, und ich glaube, ich verstehe jetzt, was passiert. Die Kaiserin trägt dasselbe defekte Gen in sich wie alle anderen Frauen auch. Aber wenn sie schwanger wird –«
»– benutzt sie den Pilz, und der repariert das Gen; die Geschlechtshormone sprießen, und ein männlicher Fötus beginnt sich zu entwickeln.«
»Yeah, oder aber das Gen selbst ist gesund, aber in irgendeiner Weise ausgeschaltet, und der Ling-Chih schaltet es wieder ein.«
»Hey, vielleicht ist es eine Virusinfektion – der Pilz ist nur der Wirt für einen Virus, der die DNA modifiziert. Also eine Virusinfektion mit positiver Wirkung.«
»Könnte sein. Gefällt mir. Welcher Mechanismus auch immer, statt als Pseudohermaphroditen geboren zu werden, konvertieren die XY-Fötusse zu normalen, gesunden Jungen – Meng Po und seine Brüder.«
Erneut wurde Mason bewusst, welch immenses medizinisches Potenzial der Ling-Chih besaß. »So viel zu Wundermitteln – unglaublich.«
Tree hielt ihren Daumen wie eine Trophäe hoch und drehte ihn in alle Richtungen. »Ein wahrer Zauberschleim.« Ihr Daumen war auf bestem Wege, sich voll zu regenerieren: Knochen, Gelenke, Daumennagel und so weiter. Die Gene, die neues Gewebe wachsen ließen – in ihrem Fall hatten sie zwei Jahrzehnte geschlummert –, waren reaktiviert worden.
Mason grinste. Dann fiel ihm seine missliche Lage ein, und er setzte sich auf die Bank und erzählte Tree alles, was er von Meng Po erfahren hatte. Tränen schimmerten in Trees Augen, als sie die Geschichte hörte, weswegen K’un-Chien als Ausgestoßene lebte. Mason berichtete ihr, dass von ihm und
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