Das Geheimnis am goldenen Fluß
ließ die Kappe auf- und zuschnappen.
»Darf ich?« Mason fing das Feuerzeug und drehte es in den Händen. Auf einer Seite befand sich das Regenwaldemblem der Halcyon Pharmaceutical Corporation, auf der anderen Seite war eingraviert: Barry Levine; PH. D. Director, H.A.R.V.E.S.T.
Mason betätigte den Zünder, und eine butanblaue Flamme blitzte auf.
»Wundervoll!«, rief Meng Po.
»Man benutzt es, um eine Pfeife anzuzünden.«
»Um Opium zu rauchen?«
»Nein. Zumindest nicht in diesem Fall. Bei uns raucht man aromatische Blätter, die man Tabak nennt. Dieses Feuerzeug gehörte einem alten Kollegen von mir.« Mason lächelte traurig bei der Erinnerung an seinen Freund, der groß war wie ein Bär; in der nächsten Welt gab es hoffentlich vernünftige Tabakläden, sonst wäre Barry kreuzunglücklich.
»Behalt es bitte. Ich sehe, dass es dir etwas bedeutet.«
»Ja, das tut es. Danke.« Mason steckte das Feuerzeug ein.
Meng Po hielt einen Video-Camcorder hoch. »Und was ist das?«
»Oh. Bring es her, dann werde ich dir etwas Verblüffendes zeigen.«
Mason schaute auf den Mini-Bildschirm, richtete die Linse auf den Jungen und drückte RECORD: Nach einigen Sekunden stoppte er die Aufnahme und spulte ein Stück zurück; dann bedeutete er Meng Po, auf den Bildschirm zu schauen. Mason drückte PLAY, und Meng Po sprang erschrocken zurück. Er sah Mason mit riesigen Augen an.
»Wie bin ich da reingekommen? Ist das meine Seele? Bitte, lass mich wieder raus.«
»Entschuldige. Ich wollte dir keine Angst machen«, sagte Mason. »Du bist nicht in dem Kasten. Er kann nur Bilder aus Licht einfangen. Die gleichen Lichtwellen, die von Gegenständen reflektiert werden und durch den Raum in deine Augen fallen, werden hier drin aufgenommen, in Form von, ehm …« Wie sagt man ›Elektronen‹ auf Mandarin?
Meng Po runzelte die Stirn und nagte an seiner Unterlippe.
»Keine Angst, alles ist in Ordnung«, sagte Mason. »Schau, in dem Kasten ist ein Filmstreifen, der überzogen ist mit … nun, lass uns einfach sagen, das ganze Ding sei Zauberei. Der Kasten nimmt nur die Lichtreflektion deiner äußeren Erscheinung auf. Deine Seele ist in Sicherheit, Meng Po. Vertrau mir.«
»Ich vertraue dir«, sagte Meng Po und schluckte.
»Hier, ich werde dein Bild in dem Kasten löschen, dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Mason schaute auf den Mini-Bildschirm, um die kurze Aufnahme zu löschen. Er spulte zu weit zurück. Was er im Schnellrücklauf sah, ließ ihn ebenso erschrocken zurückspringen, wie Meng Po es zuvor getan hatte. Masons Waden stießen gegen das Sofa, und er sank darauf nieder.
»Was ist los?«, fragte Meng Po. Mason spulte das Band an den Anfang zurück. Er drückte PLAY. Die Bilder stammten aus dem Floß. Der Camcorder musste auf dem Boden gelegen haben – die Szene war aus einem extrem schiefen Winkel aufgenommen worden. Lynda Loyolas Kopf füllte die andere Bildhälfte aus, kopfüber, als hinge sie von der Decke herunter; ein riesiger Albino-Sturmadler saß auf ihrer Brust und schaute aus roten Augen nervös um sich. Das eingebaute Mikrofon nahm das Klimpern der Signalglocke auf, während der Raubvogel Lynda blutige Fleischbrocken aus dem Gesicht riss und den Schnabel zurückwarf, um sie hinunterzuschlingen. Mason sah mit an, wie der Adler einen zerfetzten Augapfel verschluckte; sein Hals beulte sich, während der Happen in einem Stück hinunterglitt.
Dann sauste ein geworfener Gegenstand – er sah wie ein Fotoapparat aus – haarscharf am Kopf des Adlers vorbei, knallte an die Wand und fiel auf den Aluminiumboden. Der weiße Sturmadler ergriff mit laut flatternden Flügeln die Flucht.
Nachdem das Bild einen schrecklichen Moment lang nur Lyndas entstelltes Gesicht zeigte, fing die Camcorder-Linse Dominos Stiefel und Hosenbeine ein, die in die Weitwinkel-Ansicht traten und wieder verschwanden. Mason straffte den Rücken. Dies war der Teil, den er schon gesehen hatte: Domino trug die vier Notsender des Floßes in den Armen, kniete sich hin und ließ die Geräte krachend auf den Boden fallen. Dann hob er einen metallenen Werkzeugkasten hoch und zertrümmerte damit die Geräte. Danach verschwand Domino aus dem Bild. Die nächsten Stiefel, die im Bildrahmen erschienen, gehörten einer Drachensoldatin.
Der Dreckskerl. Mason ballte die Fäuste. Er wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, aber eines stand fest: Domino hatte ihre Rettung sabotiert. Und obwohl Lyndas Leiche direkt neben ihm in einer
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