Das Geheimnis am goldenen Fluß
Blutlache gelegen hatte, hatte Domino seine Schmutzarbeit auf beinahe geschäftsmäßige Weise verrichtet – scheinbar völlig angstfrei –, als wüsste er schon, dass sein eigenes Leben verschont bleiben würde.
»Du machst mir Angst, May-Son«, sagte Meng Po. »Was siehst du in dem Dämonenkasten?«
Mason schaute vom Camcorder auf. »Meng Po, darf ich das Gerät mitnehmen?«
»Ja, nimm es. Ich will es nicht mehr.«
Mason drückte RECORD und hielt eine Hand über die Linse. »So. Ich habe dein Bild gelöscht«, sagte er. »Entschuldige mich, Kleiner Bruder, ich muss meinen Kollegen besuchen, Señor Cruz. Ich habe ihm einige Fragen zu stellen.«
Mason fuhr herum und eilte durch den Bogengang. Dieses Mal konnte er sich nicht vom Losrennen abhalten, so sehr brannte er darauf, Dominos Tür einzutreten und dem Verräter die Schädeldecke zu spalten.
30
Domino schlief noch, als Mason in sein Schlafzimmer stürmte. »Los, raus aus dem Bett, Domino. Sofort! Wir haben etwas zu klären.«
Domino sprang alarmiert auf. Er klaubte eine rote Pyjamahose vom Boden und zog sie hastig an. Drei seiner Frauen krochen nackt unter der violetten Satindecke hervor und rannten erschrocken aus dem Raum.
Domino hielt ein Pyjamahemd in den Händen. »Was ist dein verdammtes Problem so früh am Morgen?«
»Das ist mein Problem.« Mason stieß Domino den Camcorder in den Bauch. »Du bist in ›Versteckte Kamera‹, du Arschloch. Warum zum Teufel hast du die Notsender zertrümmert?«
Dominos Gesicht wurde kreidebleich. »Ich … Ich weiß nicht.«
Mason stieß ihn mit aller Kraft an die Wand.
Domino zog unter seinem zerknüllten Pyjamahemd ein Messer hervor und richtete die Spitze auf Masons Bauch. »Ich bin auf der Straße aufgewachsen, erinnerst du dich?«, zischte er. »Los, zurück, Hombre, sonst stech ich dich ab. Bueno. Und jetzt setz dich hin. Muy bueno. Okay – heb deinen Hintern nicht von dem Stuhl, dann werde ich versuchen, dir zu erklären, wie mein Verstand an jenem Morgen funktionierte.«
Mason saß auf einem lackierten Ebenholzstuhl und starrte Domino gespannt an. »Na schön, ich bin ganz Ohr. Schieß los.«
»Hör zu, ich wusste nicht, was vor sich ging, nur dass Lynda tot war. Und der Hubschrauber – beng –, ich hatte die Explosion gehört. Ich dachte, ich wäre allein – ich hatte keine Ahnung, dass du und Tree am Leben wart – also, eins vorneweg, soweit ich wusste, tat ich nichts, was jemand anderen als mich selbst betreffen würde.«
»Du hast die Notsender zertrümmert, um dich selbst jeglicher Chancen zu berauben, vom Berg gerettet zu werden? Ist es das? Du wolltest einfach dableiben und sterben?«
»Nein, natürlich nicht. Ich wusste, dass ich nicht sterben würde.«
»Wieso?«
»Weil ich große huevos habe.« Er packte seine Hoden. »In einer Amazonengesellschaft brauchen sie Männer, sie bringen sie nicht um. Es sei denn, sie werden totgevögelt.«
»Aber – woher zum Teufel wusstest du von den Amazonen?«
»Ich wusste nichts von ihnen … Ich meine, nicht vorher, nicht bis die Kacke am Dampfen war. Dann habe ich einfach zwei und zwei zusammengezählt. Du musst wissen, ich bin Mestize – halb Spanier, halb Indianer.« Er nickte. »Yeah, wenn du meine Familie fragst, wird dir jeder sagen, wir seien echte Kastilier – als wären wir gerade erst letzten Sommer aus Madrid rübergesegelt. Komisch, in Venezuela gibt es Millionen Indianer, aber irgendwie hat es jeder Einwanderer geschafft, über all die Jahrhunderte einen rein spanischen Stammbaum zu behalten – niemand machte je mit eingeborenen Frauen rum. Schwachsinn.
Wie auch immer, meine Großmutter war eine Yanomamo – sie wurde von einem Kupferschürfer als Dienstmädchen in die Stadt gebracht. Sie erzählte mir immer Geschichten von ihrem Stamm und den Nachbarstämmen, irgendwelche Sachen, die sie als Kind gehört hatte. Einige ihrer Geschichten jagten mir eine Höllenangst ein – über Schrumpfköpfe und Piranhas und elektrische Aale. Sie sagte immer: ›Im Dschungel gibt es eine Tür, die ins Leben führt, und zehntausend Türen in den Tod.‹«
»Was ist dein Punkt?«
»Sie erzählte mir alles über diese Bergregion hier und die weiblichen Krieger, die hier angeblich leben sollten. Einige Indianer nannten sie brujas amarillas – gelbe Hexen –, andere nannten sie Coniupuyara – was frei übersetzt Schar fe Mätressen bedeutet.«
»Du wusstest, dass es sie wirklich gibt? Um Himmels willen, warum hast du uns
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