Das Geheimnis am goldenen Fluß
ist tot. Was bist du, ein Mystiker?«
Sie drehten ihre Köpfe zu einem Poltern im Flur. Ein halbes Dutzend Soldatinnen stürmte mit gezückten Schwertern durch die Schlafzimmertür. Sie blieben stehen und blickten von Domino zu Mason, die jetzt beide auf Stühlen saßen und sich scheinbar zivilisiert unterhielten.
»Was geht hier vor, Fremdländer?«, fragte Yu Lin und hielt Mason die Schwertspitze unters Kinn, so dass er aufstehen und sich auf die Zehenspitzen erheben musste.
»Entschuldigt«, sagte Domino und verneigte sich lächelnd. »Wir hatten einen kleinen Streit, aber jetzt ist alles wieder gut.«
Mason reckte sich auf Zehenspitzen in die Höhe und sagte mit rauer Stimme: »Bitte verzeiht, dass wir heute Morgen das fung shui der Gemeinschaft gestört haben.«
»Wir bitten aufrichtig um Vergebung, General Yu«, sagte Domino. »Und um die Harmonie wiederherzustellen, werde ich heute Abend drei meiner jüngeren Frauen als Botschafter des guten Willens in Euer Schlafgemach schicken.«
Yu Lin blickte zu Domino und nahm das Schwert von Masons Kehle. Mason hustete und wischte einen Blutfleck von seinem Hals. Yu Lin packte Masons Arme und schob ihr Gesicht dicht vor seines.
»Ich dulde keine Unruhe in meiner Stadt, Barbar. Du hast erneut bewiesen, dass du kein Benehmen hast. Noch ein Zwischenfall, und du wirst mit weit mehr bezahlen als mit einem Kratzer am Hals.«
Mason verneigte sich. »Jawohl, General Yu. Ich verstehe.«
Yu Lin nickte ihren Soldatinnen zu und schritt aus dem Raum. An der Tür blieb sie stehen. »Sieh zu, dass du mir deine drei jüngsten Frauen schickst«, sagte sie zu Domino.
Domino nickte. »Selbstverständlich.«
Sie fuhr herum und ging.
»Lesbenschlampe«, flüsterte Domino.
Mason stand auf, um ebenfalls zu gehen, und Domino brachte ihn zum Palasttor.
»Vielleicht sollte ich mich entschuldigen«, sagte Mason, »dass ich hier so reingestürmt bin – aber verdammt noch mal, du hast richtige Scheiße gebaut. Es könnte Tree und mich das Leben kosten, aber hey, es war ja für einen unerschöpflichen Vorrat an Muschis, stimmt’s?«
»Es gibt eine Lösung für dein Problem, Amigo«, sagte Domino. »Tree muss schwanger werden, oder sie lassen sie in der Oberhölle sterben. Schick sie zu mir. Eine Nacht, Mann – wenn du sie wirklich liebst.« Sein schwarzer Schnauzbart umkräuselte ein breites Lächeln. »Eine Nacht, ich rette ihr Leben. Danach schickst du das blauäugige Mädchen zu mir. Ihr Leben rette ich auch. Ich bin bereit.«
Mason verschlug es die Sprache. Sofort flammte sein Zorn wieder auf, der jedoch sogleich von einer Decke der Scham erstickt wurde. Tatsächlich hatte er selbst schon an diese Lösung gedacht und sich damit gequält, dass es womöglich der einzige Ausweg war.
Er drehte sich um und eilte durch das Tor, wütend auf alles und jeden, am meisten jedoch auf sich selbst.
31
K’un-Chien trat in das dampfverhangene Badehaus und sah Mason im heißen Wasser liegen.
»Tritt durch die Tür ins Freie und prüfe das Wetter; tritt durch die Tür herein und prüfe die Gesichter«, sagte sie. »Was ist los? Du siehst so unglücklich aus.«
Mason seufzte. »In sechs Wochen wird Tree verbannt, wenn sie nicht schwanger geworden ist, und mich werden sie kastrieren. Und ich bin nicht imstande, ihr als Ehemann zu helfen. Auf gewisse Weise bin ich schon ein Eunuch.«
K’un-Chien ging zum Wannenrand und begann, seine kräftigen Schulter- und Nackenmuskeln zu massieren. »Hast du noch einmal über den Ling-Chih nachgedacht?«
»Seit unserem Gespräch denke ich an fast nichts anderes. Aber – allein der Gedanke macht mir eine Heidenangst. Ich habe schon einen richtigen Knoten im Bauch.«
»Im Nacken auch«, sagte sie und knetete die Muskeln kräftig durch. »May-Son, erinnerst du dich, als ich dir sagte, ich könne deine Probleme so gut nachvollziehen, weil sie meinen eigenen ähneln?«
Er nickte.
»Ich war wie eine blinde Frau, die eine Laterne vor sich herträgt. Das Licht war real, aber ich konnte es nicht sehen.«
»Deine Familie scheint eine poetische Ader zu haben«, sagte Mason. Sobald er die Worte aussprach, fiel ihm ein, dass K’un-Chien Trees Halbschwester war. Ihre Liebesaf färe war inzestuös. Ich werde nicht derjenige sein, der es ihnen erzählt. In diesem exotischen, von den Konventionen des Westens weit entfernten Reich sollten zwei unschuldige Schwestern, die sich ineinander verliebt hatten, nicht gesagt bekommen, dass ihre Liebe ein Verbrechen
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