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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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sich an ihr Ohr. »Es kam tot zur Welt. Beatrix wäre auch fast gestorben. Sigena wollte sie nicht reisen lassen, aber sie hat nicht auf sie gehört.«
    »Geheimnisse?«, polterte eine vertraute Stimme über den Hof.
    Diesmal rannte sie nicht, sondern raffte sittsam ihr langes Wollgewand und ging ihm entgegen. »Willkommen, Vater!«
    Er musterte sie ausgiebig, bevor er sie an sich drückte. »Du siehst gut aus, Tochter. Du erinnerst mich an deine Mutter.«
    Sie sah ihn fragend an. Noch nie hatte er ihr gegenüber ihre Mutter erwähnt, die Beringars Geburt nicht überlebt hatte.
    »Hast du dich eingewöhnt?«, wechselte er hastig das Thema.
    »Ja, es geht mir gut. Ich brauche nicht am täglichen Unterricht teilzunehmen. Dafür habe ich die Aufsicht über die Kräuter. Und ich lehre die Novizinnen Französisch. Darum muss ich den weißen Schleier nicht mehr selbst tragen.«
    »Soso, deshalb ein schwarzer Schleier.« Er blickte über ihre Schulter. »Ludwig wartet.«
    »Gibt es Neues, Vater?«, fragte sie.
    »Sicher nichts, was du nicht schon weißt.«
    »Ludwig und ich, wir hatten noch nicht viel Gelegenheit zu reden. Aber ich habe Beatrix gesehen. Sie sah sehr schlecht aus. Der Kaiser wird erschrecken, wenn ihr in Italien ankommt.«
    »Ja, sie hätte ihre Sünden beinahe mit ihrem Leben bezahlt.« Inzwischen waren sie bei Ludwig angekommen.
    »Wie steht es auf den Baustellen?«
    Ihr Bruder verdrehte theatralisch die Augen, der Graf seufzte, als hätte sie einen besonders wunden Punkt angesprochen. »Der Bau der Doppelkapelle ruht. Im Winter konnten wir nichts tun, der Schnee lag zu hoch. Die italienischen Steinmetze sind im Spätherbst nach Hause gezogen. Wir werden sie jetzt wieder anwerben, wenn wir in der Lombardei ankommen.«
    »Die Südwand der Basilika ist an Weihnachten eingestürzt!«, platzte Ludwig heraus. »Einfach so. Es gab ein lautes Getöse, wir haben das Donnern sogar auf Lare gehört!«
    Judith hob die Augenbrauen. »Dann hatte der Steinsetzer recht!«
    »Welcher Steinsetzer?« Graf Ludwig horchte auf.
    »Als ich die Baustelle besuchte, an jenem Tag, an dem auch der … Unfall geschah, gab es einen Streit zwischen Konrad und ihm. Er meinte, wenn Konrad keine Stützpfeiler an der Wand anbringen lasse, könne sie die Last des Dachs nicht tragen.«
    Ihr Vater starrte sie ungläubig an. »Stützpfeiler also!«, murmelte er und schüttelte den Kopf.
    »Sein Glaube an den Bischof bröckelt wie die Südwand der Kirche«, flüsterte Ludwig und grinste.
    »Stehen die Pfeiler des Mittelschiffs noch?«, fragte sie.
    Graf Ludwig nickte. »Sie haben standgehalten.«
    »Dann sind die armen Katzen wenigstens nicht umsonst gestorben«, stichelte Judith.
    Ihr Vater sah sie streng an. »Dummer heidnischer Aberglaube!«
    »Ich weiß«, sagte Judith lachend und öffnete die Tür zum Gästehaus.
     
    Nach der Abendandacht verließ sie als Letzte die Kirche. Während die Schwestern leise plaudernd in Richtung Schlafsaal verschwanden, hörte sie im Holunderbusch neben dem Glockenturm ein seltsames Geräusch. Neugierig blieb sie stehen und versuchte im Dunkel der Zweige etwas zu erkennen.
    »Petrus, bist du das?« Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie begriff, dass sie nicht allein in der Dunkelheit war. Plötzlich fühlte sie sich von zwei starken Armen umschlungen. Eine harte Hand presste sich auf ihren Mund, und sie wurde hinter das Seitenschiff gezerrt. Im ersten Moment war sie starr vor Schreck, dann begann sie zu strampeln und versuchte ihren unsichtbaren Gegner vor die Schienbeine zu treten. Doch er war groß und kräftig und trug sie ohne Schwierigkeiten in die Mauerecke zwischen den Kirchenschiffen.
    »Wenn du schreist, dreh ich dir gleich hier den Hals um, hast du verstanden?«, zischte eine Stimme an ihrem Ohr. Trotz ihres Entsetzens erkannte sie das Näseln des Bischofs, was ihren Schrecken noch verstärkte und ihre Knie weich werden ließ. Doch er hielt sie fest, umfallen konnte sie nicht.
    »Ich lasse jetzt los. Wirst du den Mund halten?«
    Sie nickte.
    Als er die Hand sinken ließ, ohne die Umklammerung zu lockern, rang sie heftig nach Luft. »Was wollt Ihr von mir?«, stieß sie halblaut hervor.
    »Ein Vöglein hat mir geflüstert, dass du unzüchtige Gedanken über Ihre Durchlaucht, die Königin, in dir trägst. Ist das wahr?«
    Sie überlegte fieberhaft. Wollte er lediglich testen, ob ihr Erinnerungsvermögen sich erholt hatte, oder hatte er das Täuschungsmanöver durchschaut?
    Er schüttelte

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