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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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den Stall herum, wo an der Rückwand ein Haufen Stroh aufgeschichtet worden war. Der alte Eckardt stand neben einem Bündel Mensch, das darauf lag und leise vor sich hin wimmerte. Der Junge war nicht wiederzuerkennen. Sein ehemals rundes Gesicht war eingefallen und glühte in der Hitze des Fiebers.
    Eckardt vertrat ihr den Weg. »Herrin, der Junge hat die Wutkrankheit. Er muss hier weg, bevor er die Pferde oder einen von uns damit ansteckt.«
    »Woher weißt du, was er hat? Lass mich ihn ansehen, vielleicht ist es nur der Wundbrand.«
    »Aber der Wolf war toll, Herrin. Alle haben es gesagt.«
    »Ich weiß. Ich war dabei, als er erlegt wurde. Lass mich durch!«
    Eckardt rang die Hände. »Herrin, mir wäre wohler, wenn der Herr Graf davon wüsste.«
    »Er weiß davon«, mischte sich eine vertraute Stimme ein. Graf Ludwig und Isabella kamen um die Ecke. »Es ist gut, Eckardt.« Der Alte verneigte sich und ging, doch die Skepsis blieb auf seinem Gesicht.
    Auch der Graf sah ernst aus. »Judith, ich hoffe, du weißt, was du tust? Sigena hält viel von deinen Heilkünsten, allein deshalb muss ich dir vertrauen.«
    »Ich sehe ihn mir erst mal an. Dabei kann nichts passieren.« Sie trat an den Strohhaufen heran. Vorsichtig zupfte sie an dem Verband, der die Wunde am Arm verdeckte. Der Junge schrie auf.
    »Er hat starke Schmerzen in dem verletzten Arm, seit etwa drei Tagen. Vorher dachten wir, es würde besser werden«, sagte der Bauer ängstlich.
    »Könntest du ihn beruhigen? Ich will mir die Wunde ansehen.« Sie zog weiter an den Stoffstreifen, die von einer stinkenden gelbbraunen Flüssigkeit durchtränkt waren.
    Ungeschickt redete der Mann auf seinen Sohn ein und strich ihm durch das schweißnasse Haar. Doch der Junge schien ihn nicht zu hören. Er begann um sich zu schlagen und zu schreien. Sie sah, dass ihm ein Vorderzahn fehlte.
    »Halt ihn fest!«, mahnte sie.
    Graf Ludwig hielt zwei Knechte zurück, die dem Bauern helfen wollten. Judith rannte los. Sie brauchte Mohnsaft. Als sie mit ihrer Tasche zurückkam, war der Junge in eine Art Starre verfallen. Seine großen Augen sahen durch alle hindurch. Er lag in seltsam verkrümmter Haltung auf dem Stroh.
    »Was meinst du?«, fragte sie der Graf.
    »Noch könnte es nur Wundbrand sein. Die Wunde am Arm ist stark brandig. Aber ich weiß, wie wir es ganz sicher herausfinden.« Auf dem Weg zurück war sie an der Pferdetränke vorbeigekommen, und sie erinnerte sich an etwas, das Silas ihr erzählt hatte. In seiner Heimat nannte man die Wutkrankheit auch die Wasserangst. »Bring einen Krug voll Wasser«, bat sie einen der Knechte, die mit ängstlichen Blicken abseits standen.
    Sie hielt dem Jungen den Krug vor das Gesicht und ließ einen dünnen Wasserstrahl herauslaufen. Einige Schaulustige aus dem Gesinde, die sich an der Stallecke versammelt hatten, sahen sich kopfschüttelnd an.
    Zunächst passierte nichts, das Wasser plätscherte leise neben dem Jungen ins Stroh. Doch plötzlich wurde sein Blick scharf, erfasste das fließende Nass, und ein Ruck ging durch seinen Körper. Er begann krampfartig zu schlucken und zu keuchen, stoßartig fuhren Krämpfe durch seinen Kehlkopf und rissen seinen Kopf nach oben. Schließlich bildete sich feiner Schaum vor seinem Mund.
    Eine Magd schrie entsetzt auf und bekreuzigte sich. Die Umstehenden traten einen Schritt zurück. Judith sah ihren Vater ernst an und nickte. Der wandte sich an das Gesinde. »Geht an eure Arbeit. Ihr könnt hier nichts tun. Los, los!«
    Der Bauer schlug die Hände vors Gesicht und weinte. »Ich habe gebetet, Tag und Nacht. Wofür straft mich der Herr?«
    Sie fasste ihn an der Schulter. »Dein Sohn wird sterben. Ich kann es ihm leichter machen.«
    Der Mann blickte auf, und Dankbarkeit erschien kurz in seinem wettergegerbten Gesicht, bevor er erneut in sich zusammensank.
    Sie griff zur Flasche mit dem Mohnsaft. »Jemand muss ihn festhalten.«
    Graf Ludwig wies auf den Bauern.
    »Achte darauf, dass du nicht mit seinem Speichel in Berührung kommst«, schärfte sie ihm ein. »Bist du bereit?«
    Er nickte und drückte seinen Sohn ins Stroh.
    Ihre Gedanken drehten sich um die Dosierung. Ein Holzlöffel voll für einen Erwachsenen, ein halber für ein Kind. Dieser Junge hier war kein Kind mehr, aber auch noch nicht ausgewachsen, und sein Körper war bereits stark geschwächt. Ihr Blick traf den des Bauern. Helft ihm!, las sie darin. Entschlossen zog sie den Stöpsel aus der Flasche. Träge floss der Sirup heraus. Erst als

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