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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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es wird!«, ermahnte er sie.
    »Was soll es schon werden?«, rief der Waffenschmied, der noch immer in seiner Tür stand, über den Hof. »Befürchtest du, du hast einen Kupferkessel angesetzt?«
    Die Umstehenden lachten. »Das wird wohl eher nur ein Kesselchen«, ergänzte seine Frau halblaut.
    Der Mundschenk drehte sich um. Sein Gesicht hatte die Farbe eines reifen Apfels angenommen. »Was fällt dir ein, du halber Hahn?« Er baute sich vor dem Waffenschmied auf, der sich mit einem Arm an der Leibung abstützte und dabei wie zufällig seine Oberarmmuskeln spielen ließ. »Hast selber deine Pfeile schon verschossen, oder lässt sie dich nicht mehr?« Sein Kinn ruckte in Richtung der Frau, die dem Schmied bisher nur ein Kind geschenkt hatte. »Sag’s ruhig, ich helfe gern aus!«
    Dem Hünen gefror das Lachen im Gesicht, und er trat mit geballten Fäusten einen Schritt nach vorn.
    Ludwig hob beschwichtigend die Hand. »Männer, keinen Streit! Wir wollen uns nicht den Abend verderben!« Er legte dem Mundschenk seine Hand auf die Schulter und schob ihn zurück in den Hof. »Sieh nach deiner Frau! Sorge dafür, dass sie früher drankommt. Sie sollte nicht so lange stehen.«
    Als die Sonne tiefer stand, zerstreute sich das Gesinde, das Abendessen musste aufgetischt und das Vieh versorgt werden. Die Neugier trieb Judith hinüber zum Wagen. Die schöne Hanima saß noch immer auf ihrem Teppich. Aus der Nähe betrachtet sah sie älter aus und erschöpft. Zwei tiefe Falten zogen sich von ihrer leicht gebogenen Nase hinab zu den Mundwinkeln. Um ihre Augen fächerten sich feine Linien wie Büschel junger Binsen. Ihr Bauch schien auf ihren Füßen zu ruhen, die sie wie ein Schneider untergeschlagen hatte. Als Judiths Schatten auf den Teppich fiel, blickte sie auf. »Möchtet Ihr in Eure Zukunft sehen, hohe Frau?«, fragte sie. Ihre Stimme klang rauh wie die eines Mannes.
    Judith zögerte. »Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich mich nach deinem Befinden erkundigen. Ich kenne mich ein wenig in der Heilkunst aus.«
    »Oh, macht Euch keine Gedanken, mir geht es gut.«
    »Wann wird es so weit sein?«
    Die Frau blickte sie nachdenklich an. »Vielleicht in zwei Wochen, vielleicht in drei?« Sie lachte, als sie Judiths Zweifel sah. »Mein eigenes Schicksal kann ich nicht sehen, hohe Frau. Das ist auch gut so.«
    »Ich dachte, dass dein Kind schon bald kommt, weil dein Leib so furchtbar dick ist.« Ungläubig ruhte ihr Blick noch immer auf der gewaltigen Kugel unter dem gelben Brokat.
    Die Frau lachte erneut. »Es kann sein, dass es zwei werden. Ich hatte auch eine Schwester, die mit mir gemeinsam geboren wurde.« Sie sah versonnen auf das bunte Muster des Teppichs. »Gebt mir Eure Hand.« Sie zog Judiths Rechte zu sich hinunter und legte sie auf ihren Bauch. Dann beugte sie sich darüber und fuhr mit ihrem Zeigefinger die Linien entlang. Eine Weile war es still zwischen ihnen. Judith fühlte die Bewegungen des Kindes unter ihrem Handrücken. Dann blickte die Frau auf und musterte sie neugierig.
    »Was ist? Was hast du gesehen?«
    Hanima schob ihre volle Unterlippe vor. »Ihr habt ein verwirrendes Schicksal, hohe Frau. Ihr liebt stark, aber sehr unglücklich. Außerdem seid Ihr in großer Gefahr. Ihr müsst gut auf Euch achtgeben.« Sie brach ab.
    »Ist das alles?« Judiths Hand begann zu zittern. Bisher hatte sie nichts Neues erfahren. Trotzdem war sie erschrocken, all das aus fremdem Mund zu hören.
    Die Frau sah sie an und schüttelte den Kopf. »Ihr werdet Euer Glück finden, aber Ihr werdet viel Geduld haben müssen.«
    Das Kind trat erneut mit erstaunlicher Kraft, und sie zog ihre Hand weg. »Was bin ich schuldig?«
    »Nehmt es als Geschenk, vielleicht brauche ich Eure Hilfe tatsächlich noch.«
     
    Während des Abendessens saßen die Spielleute am Tisch beim Gesinde und berichteten Neues von den Städten und Burgen, die sie zuletzt besucht hatten. Gespannt lauschten die Leute, und es ging ungewöhnlich ruhig zu, niemand wollte etwas verpassen. Auf dem Kirchberg gab es ein Kalb mit zwei Köpfen, in Nordhusen hatte eine Frau ihren Mann verprügelt, ein Einsiedler hatte bei Heldrungen alle Hühner verhext, so dass sie nun Eier ohne Dotter legten. Graf Ludwig hörte still lächelnd zu, sein Ärger über den Bischof schien verflogen. Konrad dagegen machte ein eher säuerliches Gesicht. Beatrix war gar nicht erst zum Essen erschienen. Vielleicht hatten sie einen Streit? Isabella fehlte ebenfalls. Doch sie war gewiss bei Gerti und

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