Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
Erzbischof der Demütigung unterziehen, dass er sich zwei Franziskanern gegenüber verantworten musste, was beinahe schlimmer war als eine Amtsenthebung. Sollten sie dagegen heil und unversehrt im Palazzo des Podestà ankommen, würde Rinaldo erfahren, dass man den Templer in Ubertos Anwesenheit unter Folter befragt hatte, und ihn a divinis von seinem Amt suspendieren.
Jetzt konnte ihn nur noch ein Wunder retten.
Uberto befragte sein Gewissen und kam zu dem Schluss, dass er seine Pflicht getan hatte, um die Ketzerei auszurotten. Nun lag die Verantwortung nicht mehr in seinen Händen. Wenn es Gottes Wille war, dass er weiterhin den Glauben verteidigte, sollte er ihm ein Zeichen schicken, indem er die Hindernisse aus dem Weg räumte.
Genau in diesem Augenblick entstand in seinem Kopf ein Bild, wie der Erzbischof von der aufgebrachten Menge getötet wurde.
Uberto legte entsetzt die Hände vor die Augen. Konnte es wirklich sein, dass der heilige Dominikus, der gesegnete Prediger und Gründer seines Ordens, ihm eine so abscheuliche Tat nahe legte? Ohne sich selbst gegenüber einzugestehen, dass er den Mord an einem Diener der Kirche als Möglichkeit ins Auge fasste, machte er sich daran, die möglichen Folgen unbefangen wie in einem Gedankenspiel durchzugehen.
Sollte Rinaldo da Concorezzo verschwinden, würde die Kirche davon profitieren, und er selbst würde auf seinem Weg nach oben nicht länger aufgehalten werden. Im Gegenteil: Er würde schlagartig aufsteigen. Wenn der Erzbischof nicht mehr war, konnte es sehr gut sein, dass Papst Clemens V. ihm die Leitung des Prozesses übertrug. Und selbst wenn man in aller Eile einen neuen Erzbischof ernannte, würde er, Uberto, der eigentliche Leiter dieses Prozesses bleiben, weil er ihn bereits seit seinen Anfängen verfolgt hatte und ihn besser als jeder andere kannte.
Immer noch als abstrakte Überlegung erwägte der Inquisitor, wie ein gedungener Mörder den Anschlag verüben könnte, und seine Miene verfinsterte sich. Im Prinzip konnte er bei einem solchen Auftrag nur auf Guido Arlotti zählen, aber eines war sicher: Der ehemalige Mönch würde sich niemals dazu bereit erklären, einen Erzbischof der heiligen Mutter Kirche zu ermorden, sollte es ihm nicht der Papst persönlich befehlen.
Die einzige andere Möglichkeit bestand darin, dass er selbst den Willen des Heiligen vollstreckte. Doch auch dies würde sich als problematisch gestalten: Der Erzbischof musste gleich verschwinden, das stand außer Frage, und selbst wenn er es gewollt hätte, hätte Uberto ihn sicher nicht in seinem Studierzimmer oder draußen vor aller Augen erdolchen können.
Stumm beichtete er dem heiligen Dominikus, dass er seine Botschaft nicht zu deuten wusste, bekreuzigte sich und öffnete die Augen.
Und plötzlich sah er alles klar vor sich.
Das, was einst das Bett des Heiligen gewesen war, der genaue Ort, an dem er seine Seele ausgehaucht hatte, wurde von einem Sonnenstrahl beleuchtet, der durch die angelehnten Fensterläden hereindrang. Das übrige Zimmer lag im Schatten, aber dieses armselige Strohlager auf einigen rohen Holzbrettern
glänzte wie ein Königsthron. Uberto begriff, dass er die Sünde des Hochmuts begangen hatte, und bat den Heiligen mit Tränen der Rührung in den Augen hastig um Verzeihung.
Er hatte geglaubt, er selbst müsse die Botschaft deuten, er selbst müsse handeln. In seinem Hochmut hatte er, wenn auch nur in Gedanken, die Möglichkeit erwogen, einen Mord zu begehen und seine Seele zu ewiger Verdammnis zu verurteilen. Stattdessen war das Bild des Erzbischofs, der von der aufgebrachten Menge getötet wurde, nur eine Weissagung, die der heilige Dominikus ihm gesandt hatte, um ihn zu beruhigen. Gott und seine Heiligen waren selbst in der Lage, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen; sie brauchten ihn gar nicht. Wie hatte er nur glauben können, dass er für sie handeln müsse? Uberto nahm sich vor, dass er sich eine harte Strafe auferlegen und sowohl Körper als auch Geist demütigen würde, um für diese Sünde des Hochmuts zu büßen. Und gleich darauf dankte er Gott und allen Heiligen für die gewährte Gnade: die Gelegenheit, im Schoß der Kirche aufzusteigen, damit er die Ketzerei in Zukunft noch wirksamer bekämpfen konnte.
Wie als Antwort auf seine Überlegungen verlosch der leuchtende Sonnenstrahl allmählich, und das Zimmer lag wieder im Halbdunkel. Uberto erhob sich mit leichtem Herzen und verließ gestärkt die Kapelle. Er ging in das Amtszimmer des
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