Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
eine seltsame Prozession vom Vorplatz der Kirche her auftauchen. Zwei kräftige Dominikanermönche in weißer Kutte und schwarzen Umhängen liefen Weihrauchfässchen schwenkend voran, gefolgt von einem weiteren Mönch, der ein vergoldetes Kreuz trug, und hinter ihm der Erzbischof höchstpersönlich in vollem Ornat: die Mitra auf dem Haupt, die weiße Dalmatika mit den beiden roten Streifen vorn und hinten, den versilberten Hirtenstab in der Hand. Hinter ihm schritt Uberto da Rimini ohne Kapuze über seinem kahlen Kopf und wie immer mit hochmütigem Blick.
Gerardo fragte sich, wohin sie unterwegs waren und ob sie wussten, welcher Gefahr sie sich aussetzten. Die Männer der Kirche wurden zwar gefürchtet und geachtet, aber sie waren beim Volk verhasst und blieben daher in einem Moment des Aufruhrs wie diesem besser im Schutz ihrer Kirchen und Klöster. Wäre der Inquisitor nicht dabei gewesen, hätte Gerardo sogar das Risiko auf sich genommen, sie zu warnen. Doch Uberto da Rimini wusste nichts über die jüngste Entwicklung der Ereignisse und hätte unüberlegt reagieren können, wenn er ihn in Freiheit sah. Auch Mondino beobachtete verwundert die kleine Mönchsschar, die direkt in ihr Verderben marschierte.
Ohne Vorwarnung tauchte aus einer Seitenstraße ein Pulk schreiender Leute auf, die mit ihren Stöcken an die Türen der Häuser schlugen. Als sie die Kirchenmänner und den Erzbischof in vollem Ornat bemerkten, zögerten sie eingeschüchtert. Doch es genügte, dass einer von ihnen einen Stein aufhob und ihn mit einem Aufschrei auf die Prozession schleuderte, und schon stürzten sich die anderen mit erhobenen Stöcken auf die Mönche.
Es entbrannte ein wütender Kampf. Die beiden Mönche schwangen ihre Weihrauchfässchen wie eisenbeschlagene Knüppel, dass die Funken nur so flogen. Einem gelang es, seinen
Angreifer am Kopf zu treffen und ihn so in die Flucht zu schlagen. Einem anderen rutschte ein Stück glühende Kohle in den Kragen, woraufhin der Mann brüllend seinen Stock losließ und wild hüpfte, um sich von der Glut zu befreien. Doch diese Geschehnisse trugen nur dazu bei, die anderen anzustacheln, die sich geschlossen auf die Mönche warfen. Der Erzbischof und der Inquisitor standen reglos daneben, als ginge das Ganze sie nichts an. Doch als einer der Mönche, von einem Stockhieb getroffen, zu Boden ging, stürzten sich drei Männer, die inzwischen so von Wut erfüllt waren, dass sie sich auch nicht mehr vom heiligen Ornat einschüchtern ließen, auf den Erzbischof.
In den Häusern erhob sich hinter den geschlossenen Fenstern ein Chor entsetzter Frauenschreie. Gerardo, der bis jetzt alles nur tatenlos beobachtet hatte, hielt es nicht mehr aus und stürmte los. Mondinos Rufe verhallten ungehört - der junge Mann war nicht mehr zu bremsen. Uberto da Rimini überließ Gerardo sich selbst, aber dass die Menge einen Erzbischof der römischen Kirche in Stücke riss, besonders einen, der den Ruf eines gerechten Mannes hatte wie Rinaldo da Concorezzo, wollte er nicht dulden. Während Gerardo den Schutz der Gasse verließ und sich in die Menge stürzte, brannte sich ein Bild in seinem Kopf ein, nämlich das geradezu verzückte Gesicht des Inquisitors, mit der dieser die Szene beobachtete. Er sah aus, als werde er gerade Zeuge eines Wunders und nicht einer schrecklichen Gewalttat. Gerardo nahm wahr, wie zwei Männer ihre Stöcke hoben, um auf den Erzbischof einzuschlagen, ohne dass Uberto eine Hand zu seiner Verteidigung rührte. Ganz im Gegenteil: Der Inquisitor betrachtete Rinaldo mit ekstatischer Freude, und als er sich dem Bischof zuwandte, meinte Gerardo zu sehen, dass er ihn seinen Angreifern sogar entgegenstieß. Rinaldo da Concorezzo knickten unter den Schlägen die Beine weg, er verlor seine Mitra und fiel auf die Knie.
Die beiden Männer aus dem Volk wechselten einen Blick; sie schienen plötzlich vor ihrer eigenen Courage erschrocken, und diesen Moment nutzte Gerardo, um sich auf sie zu stürzen. Er verteilte Fußtritte und schlug mit der gesunden Hand zu, wohin er traf. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Mondino, der ihm gefolgt war, einen Stock vom Boden aufhob, den einer der Angreifer verloren hatte, und ihn herumwirbelte, um die anderen fernzuhalten.
Gerardo half dem Erzbischof auf, doch im gleichen Augenblick warf sich Uberto da Rimini auf ihn und würgte ihn. In den dunklen Augen des Inquisitors sah Gerardo eine Mordlust, die ihn erschreckte. Da Uberto jedoch nicht nur kleiner und schwächer war
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