Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
jeder Schuld lossprechen.
Doch zunächst musste er sie einholen.
Er versetzte einem der Männer einen Stoß, der gerade in die Gasse der Dirnen schlüpfen wollte, um dort sofort einen Teil seiner Beute auszugeben. »Keine Huren, bevor wir nicht den
Auftrag erfüllt haben«, rief er streng. »Schnell, wir haben bereits zu viel Zeit verloren.«
Mit gezogenen Dolchen, um mögliche Angreifer abzuschrecken, durcheilten sie das chaotische Schlachtfeld, in das sich die Stadtmitte von Bologna verwandelt hatte. Sie kamen in der Nähe der Basilika San Domenico heraus, wo ein dichtes Häuflein Dominikanermönche die letzten Gewalttätigen verjagte.
Guido sah dort den Erzbischof mit der Mitra auf dem Haupt und dem Hirtenstab in der Hand stehen. Uberto da Rimini richtete sich gerade wieder auf, einen scharlachroten Blutfleck auf dem kahlen Schädel. Als ihre Blicke sich begegneten, wies der Inquisitor mit einer herrischen Handbewegung auf eine Straße zu seiner Rechten, die in Richtung Santo Stefano und Sancta Hierusalem führte. Dort entlang mussten Mondino und Gerardo verschwunden sein.
Guido sah sich um. Einige seiner Leute waren nicht mehr zu sehen, sie hatten sich wohl endgültig davongemacht. Doch die drei Männer neben ihm waren mehr als genug für sein Vorhaben. Obwohl ihm langsam die Luft wegblieb, machte er sich erneut an die Verfolgung.
»Ist das der Ort?«, fragte Mondino und sah zweifelnd auf die Öffnung, die sich in dem eingestürzten Haus am Ende der Gasse auftat. »Weißt du genau, dass es hier ist?«
»Nein, aber wenn ich darauf wetten müsste, würde ich es sofort tun.«
Gerardo schien sich seiner Sache sicher zu sein, obgleich es Mondino schwer fiel zu glauben, die Tochter des Bankiers könnte durch diese geöffnete Tür getreten sein, die sich dunkel, unheimlich und leer wie ein zahnloser Mund vor ihnen auftat. Dass sie dann auch noch durch die Trümmer in ein unterirdisches Gewölbe hinabgestiegen war, das nach Gerardos Beschreibung wie die Mischung aus einer altrömischen Kanalisation
und einer Katakombe wirkte, schien ihm ganz und gar unmöglich.
Als Mondino jedoch andererseits bedachte, dass Fiamma für die schlimmsten Morde, die er je erlebt hatte, verantwortlich war, wurde er unschlüssig. Wessen sie fähig war oder nicht, war schwer einzuschätzen.
Ohne auf die Steine und den Unrat zu achten, die den Weg durch die Gasse behinderten, gingen die beiden Männer auf das Haus zu, aber sie waren erst einige Schritt weit gekommen, als eine Stimme hinter ihnen rief:
»Befehlt eure Seele Gott an.«
Mondino erkannte sie sofort und war deshalb keineswegs erstaunt, als er sich umwandte und Guidos untersetzte kräftige Gestalt vor sich sah. Er war in Begleitung eines Mannes, dessen lange Haare nicht verbergen konnten, dass man ihm die Ohren abgeschnitten hatte. Angst und bange wurde ihm erst, als er zwei weitere Männer entdeckt, die ihnen am anderen Ende der Gasse den Rückweg abschnitten.
Gerardo und Mondino stellten sich wortlos Rücken an Rücken, entschlossen sich zu verteidigen, obwohl ihre Lage hoffnungslos war: zwei unbewaffnete Männer gegen vier Galgenstricke mit Dolchen. Das war wirklich das Ende.
»Ich bin gespannt, wie ihr euch schlagt, wenn euch weder Hexen noch Hunde beistehen«, sagte Guido höhnisch und kam auf sie zu.
»Wir müssen wenigstens einen entwaffnen«, flüsterte Gerardo.
Mondino zuckte mit den Schultern. Es war sinnlos geworden, einen Plan aufzustellen. Jetzt ging es nur noch darum, in Würde zu sterben und möglichst viele von den anderen in den Tod mitzunehmen.
»Auf mein Zeichen stürzen wir uns beide auf den mit den abgeschnittenen Ohren«, flüsterte Gerardo weiter. »Wenn es
mir gelingt, ihm den Dolch abzunehmen, könnten wir es schaffen.« Er wartete gar nicht erst auf Mondinos Zustimmung, sondern schrie: »Jetzt!« und warf sich nach vorn.
Mondino folgte ihm, wild entschlossen, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Beide hatten in dem Handgemenge zur Verteidigung des Erzbischofs ihre Kopfbedeckungen verloren, so dass Gerardos lange Haare ihm ins Gesicht peitschten und er einen Moment nichts sehen konnte. Das erwies sich als verhängnisvoll. Während der junge Templer ohne zu zögern den Mann mit den abgeschnittenen Ohren angriff, einem Dolchstoß auswich und in seine Deckung eindrang, fühlte Mondino plötzlich einen heftigen Schmerz an der rechten Schulter. Erst als er wie vom Blitz gefällt auf den Boden zwischen Unrat und Kot fiel, bemerkte er,
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