Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
Dächer geflohen.«
»Gibt es wenigstens dafür Beweise?«, fragte Rinaldo gleichmütig.
Sie befanden sich in dem Saal, in dem der Erzbischof wichtige Gäste empfing, und Uberto hatte dieses Zeichen von Respekt zufrieden bemerkt. Doch Rinaldo da Concorezzo machte keine Anstalten sich zu setzen, also musste auch er in diesem großen zugigen Raum stehen bleiben und frieren. Er hatte den Verdacht, dass der Erzbischof dies mit Absicht tat, und fühlte, wie die Röte in seine Wangen stieg.
»Nein, Monsignore, wir haben keine absolute Sicherheit, dass sich jemand in der Wohnung aufgehalten hat, aber dennoch …«
»Wie könnt Ihr dann von Mord sprechen, von einem Pakt mit dem Bösen, einer Flucht über die Dächer mit einer Leiche auf dem Rücken? Das sind schwerwiegende Anschuldigungen, und ich bin nicht bereit, sie einfach so zu akzeptieren, solange konkrete Beweise fehlen, um sie zu untermauern.«
Uberto musste sichtbar an sich halten, antwortete dann aber gleichmütig, dass es vermutlich einfacher wäre, wenn der Erzbischof ihm erlaubte, alles von Anfang an zu erzählen.
Rinaldo da Concorezzo ging zum offenstehenden Fenster und drehte sich dann so, dass ihm die warme Sonne des frühen Nachmittags auf den Rücken scheinen konnte.
»Erzählt denn, Vater«, sagte er.
Uberto begann mit dem anonymen Brief, der vor drei Abenden die Basilika San Domenico erreicht hatte. Der Verfasser hatte ihn unter der Tür des Konvents hindurchgeschoben, kräftig geklopft und war danach verschwunden. Es war nicht zum ersten Mal, dass sie auf diese Weise Informationen erhielten - immer von derselben Person verfasst, wie die Schrift der Briefe zeigte, und immer hatten sie sich als äußerst nützlich erwiesen. Einige Tempelritter, die der ersten Verhaftungswelle entkommen waren, hatte man dank dieses geheimnisvollen Informanten festnehmen können.
»Habt Ihr nie herauszufinden versucht, um wen es sich handelte?«, fragte Rinaldo da Concorezzo.
»Wenn jemand uns tatkräftig unterstützt, es aber vorzieht, dabei anonym zu bleiben, Monsignore, sehe ich keinen Grund, Zeit und Mittel darauf zu verschwenden zu entdecken, wie er heißt.«
Uberto bereute seine Worte umgehend. Hätte sich einer seiner Mönche in diesem Ton an ihn gewandt, würde er dafür sorgen, dass dieser demnächst in den entlegensten Winkeln der Christenheit das Wort des Herrn verbreiten konnte. Er musterte das Gesicht des Erzbischofs aufmerksam, um dort zu
entdecken, welchen Preis er für seine Unverschämtheit wohl bezahlen musste, und bemerkte, dass Rinaldo da Concorezzo so im Licht stand, dass man seine Augen nicht erkennen konnte. Er fragte sich noch einmal, ob der Erzbischof dies bewusst tat.
»Ich hingegen sehe sehr wohl einen Grund, keine anonymen Anzeigen oder Beschuldigungen entgegenzunehmen, Vater Uberto«, erwiderte Rinaldo kühl. »Und damit auch Ihr ihn entdecken könnt, fordere ich Euch auf, darüber nachzudenken, während Ihr auf dem Friedhof Eurer Abtei Unkraut ausreißt, und zwar einen ganzen Tag lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und ohne eine Pause, um zu essen, zu trinken oder Euch auszuruhen. Jetzt fahrt mit Eurer Erzählung fort und wagt es nicht noch einmal, es am gebührenden Respekt fehlen zu lassen.«
Uberto schluckte die Demütigung, froh, so billig davongekommen zu sein. Und nahm gleichzeitig eine wichtige Information auf. Die Strafe, die Rinaldo ihm auferlegt hatte, konnte kein Zufall sein. Jemand musste ihn über die Säuberungsaktion auf dem Friedhof informiert haben. Offenbar hatte der Erzbischof Spione in seinem Konvent. Er musste also demnächst vorsichtiger vorgehen.
Inzwischen erzählte er mit möglichst demütigen Worten, dass er sofort nach dem Erhalt dieses Briefs zum Podestà gegangen war, um bewaffneten Begleitschutz anzufordern, dann hatte er sich zu dem Haus begeben, in dem er nach Aussage des Briefes ein schreckliches Verbrechen vorfinden sollte. Angeblich war dort ein Tempelritter während eines Rituals getötet worden, mit dem man Baphomet gnädig stimmen wollte, jenen heidnischen Götzen, den die Templer anbeteten. Doch kaum hatten die Wachen an die Haustür geklopft, hatten sie Flammen aus einem Fenster im obersten Stockwerk schlagen sehen. Die Wachen hatten versucht, die Tür niederzurammen, aber
dann war ein Nachbar, der im Erdgeschoss wohnte, herbeigeeilt und hatte ihnen geöffnet. Inzwischen war der Brand jedoch vollends ausgebrochen und der Weg nach oben versperrt. Als das Feuer unter Kontrolle war,
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