Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
weniger Nützliches über den Mord an dem deutschen Tempelritter wusste. Doch der schrille Klang in Bonagas Stimme und vor allem sein drängender Blick veranlassten ihn, die Bedrohung ernst zu nehmen. Er löschte die Fackel, nahm den kleinen Bettler wieder in die Arme und kehrte mit ihm an die Oberfläche zurück.
Wortlos setzte er ihn auf seinen Karren, gab ihm die anderen versprochenen fünf Soldi, und sie traten den Rückweg an. Sobald sie den Platz vor Santo Stefano wieder erreicht hatten, verabschiedete sich Gerardo von dem Jungen und ging in Richtung Via San Vitale, wo er sich mit Mondino verabredet
hatte. Er schaute zum Himmel hoch. Die Sonne war hinter einer dichten Wolkendecke verborgen. Es sah nach Regen aus.
Weil Gerardo es eilig hatte, nahm er die Hauptstraße und fand sich plötzlich, ohne dass er es bemerkt hatte, direkt vor Remigios Luke wieder. Der Bankier hatte seinen Dienern bereits befohlen, die Holzklappe hochzuziehen, und wartete darauf, dass sie seine Anweisung ausführten, damit er sie von innen verriegeln konnte. In den wenigen Sekunden, bevor ihm die Sicht versperrt wurde, sah Gerardo, wie Fiamma den Kopf hob und ihn ansah.
Unfähig einfach weiterzugehen, erwiderte er den Blick und hob instinktiv die Hand zum Gruß. Die Klappe schloss sich mit einem trockenen Laut, und Gerardo hatte den Eindruck, dass Fiamma ihm kurz zuvor zugelächelt hatte.
Uberto da Rimini war ziemlich verärgert, als er das Haus verließ und sich Richtung Trebbo dei Banchi aufmachte. Die beiden jungen Mönche, die er mitgenommen hatte, gingen gesenkten Hauptes einen Schritt hinter ihm und wagten nicht, ihn in seinen Gedanken zu stören.
Er war eben bei dem Hauswirt des Studenten gewesen, der den Brand gelegt hatte. Doch der Wollhändler hatte sich nicht etwa zufrieden gezeigt, dass die Inquisition sich seiner Interessen annahm - immerhin hatten die Häscher der Stadt noch nichts erreicht -, vielmehr verhehlte er seinen Unwillen nicht, dass er mit ihm zusammenarbeiten musste. Uberto hatte nicht herausgefunden, ob es daran lag, dass der Mann nur ein dummer Ghibelline war oder ob er sich so verhielt, weil er etwas zu verbergen hatte. Vielleicht stimmte ja beides.
Wenigstens hatte er sich bei allen Begegnungen respektvoll verhalten, weniger ihm als seinem Amt gegenüber. Das gehörte zu den Dingen, die Uberto an seiner Mission als Inquisitor schätzte. Er hätte ungern einem im Guten wie im Schlechten
unbedeutenden Orden angehört wie den Augustinern oder den Eremitanern von San Girolamo zum Beispiel. Ihm gefiel die Angst, die die schwarz-weiße Kutte der Dominikaner in den Menschen auslöste. Das Volk war von Natur aus nicht fromm, und das Einzige, was es in Zaum hielt, war eine gesunde Gottesfurcht. Die von der Inquisition mit ihrer Arbeit ständig genährt wurde. Uberto war überzeugt, dass der Heilige Vater das Privileg, gegen Ketzerei und Glaubensverstöße vorzugehen, früher oder später nur noch seinem Orden anvertrauen und die Franziskaner, die sich oft als zu weich erwiesen hatten, entmachten würde.
Nachdem seine Nachforschungen über den Studenten unter dem Namen Francesco Salimbene nicht erfolgreich waren, hatte Uberto von dem Händler wenigstens eine Personenbeschreibung des Gesuchten bekommen. Inzwischen war er überzeugt, dass Francesco Salimbene nicht dessen richtiger Name war. Dass er unter einem falschen Namen reiste, zeigte mehr als alles andere, dass dieser Mann schuldig war. Das zählte zwar vor Gericht noch nicht als Beweis, dachte Uberto verärgert, als er sich an sein letztes Gespräch mit dem Erzbischof erinnerte, doch für ihn war es Grund genug, dass er diese Spur verfolgte.
Wenn sie den verschwundenen jungen Mann fanden, der höchstwahrscheinlich ein Tempelritter war und sich nur zum Schein als Student ausgegeben hatte, würde sich vieles klären. Dann würde Rinaldo da Concorezzo nicht mehr umhin können, die längst fälligen Entscheidungen zu treffen, an denen seine Feigheit ihn bisher gehindert hatte.
Außerdem musste er gegen Mondino de’ Liuzzi ermitteln. Uberto war bleich vor Zorn geworden, als er erfahren hatte, dass der Arzt als Erster die Leiche des deutschen Tempelritters bei Santo Stefano untersucht hatte. Doch dann hatte er begriffen, dass auch dies ein wichtiges Indiz war. Seine Anwesenheit
am Tatort war verdächtig. Wie er seit dem Abend des Brandes in Sant’Antonino vermutete, hatte Mondino etwas zu verbergen.
Uberto hoffte sehr, dass Guido Arlotti mittlerweile
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