Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
etwas über ihn herausgefunden hatte. Der ehemalige Priester war noch nicht bei ihm erschienen, um Bericht zu erstatten, doch die Zeit drängte, und Uberto hatte nicht vor zu warten, bis es jenem genehm war. Deshalb hatte er beschlossen, ihn in der Taverne aufzusuchen, die er als Stützpunkt für seine Geschäfte benutzte. Guido hatte ihm Ergebnisse versprochen. Und nun war der Moment gekommen, ihn daran zu erinnern, dass man keine leeren Versprechungen machen sollte.
Mit eiligen Schritten erreichte er Porta Ravegnana, folgte der Straße des Mercato di Mezzo bis zur Brücke über die Aposa, dann bog er nach rechts in die Straße der Schmiede ein, immer gefolgt von den beiden Mönchen, die miteinander sprachen. Das laute Geräusch der Hämmer auf den Ambossen und der scharfe Geruch nach Eisen, das im Wasser gehärtet wurde, umfing sie wie eine Decke. Sie bahnten sich ihren Weg über den getrockneten Schlamm in der Mitte der Straße, zwischen Schwertern, Eisenkesseln, Messern und anderen Waren in den Auslagen der Werkstätten.
Die Leute aus dem Volk, die ihnen begegneten, senkten abweisend den Blick. Uberto kannte auch den Grund: Durch die Straßen ging das Gerücht, dass die Kirche an der Erhöhung des Brotpreises schuld sei.
Ein Lehrling mit blonden Haaren so dick wie Strohhalme, der gerade dabei war, mit einem Tuch einen Harnisch zu polieren, spuckte auf den Boden, als sie vorüberkamen. Uberto blieb stehen, drehte sich um und starrte ihn wortlos an, bis der Junge auf die Knie fiel und in einem beinahe unverständlichen Dialekt einen Haufen Entschuldigungen hervorbrachte. Sein Spucken sei keine Verachtung gegen sie gewesen, sagte er, sondern
nur ein Zufall, er habe sie nicht gesehen, wer würde sich schon einfallen lassen auszuspucken, wenn ein Inquisitor der Dominikaner vorüberging …
Uberto, der zufrieden die Angst in den Augen des jungen Mannes sah und glücklich war, dass ihn sogar ein Dummkopf wie dieser Bursche erkannt hatte, herrschte ihn an, dass er in Zukunft gut aufpassen solle, was er tue, und ging seines Weges. Seine Begleiter hatten die Szene mit ausdruckslosen Gesichtern beobachtet und folgten ihm nun wieder wortlos. Es waren zwei tüchtige junge Männer, die Uberto als seine persönlichen Assistenten ausgewählt hatte, um sie in die Aufgaben eines Inquisitors einzuführen. Besonders den kleineren von beiden, ein Mönch namens Antonio, der wusste, was Gehorsam war.
Deshalb hatte er beschlossen, die beiden in Guido Arlottis Schlupfwinkel mitzunehmen. Sie sollten endlich lernen, dass man nicht immer ganz nach den Regeln handeln konnte und dass es zuweilen nötig war, sich die Hände schmutzig zu machen, wenn man den Teufel besiegen wollte.
Als sie das Viertel der Schmiede verließen, dröhnten ihnen die Ohren so vom Lärm der Hämmer, dass sie eine Weile brauchten, bis sie wieder die normalen Straßengeräusche hörten. Uberto drehte sich um und sah nach, ob die beiden Novizen immer noch hinter ihm liefen. Er führte sie auf einem komplizierten Weg, der von der Notwendigkeit bestimmt war, unsichere Straßen zu meiden, dabei aber gleichzeitig von möglichst wenigen Menschen bemerkt zu werden. Endlich erreichten sie den Torbogen des Torre de Galliera. Nur ein kleines Stück weiter blieben sie in einem namenlosen Gässchen vor der Tür einer Taverne stehen.
Uberto befahl Bruder Antonio, dort drinnen nach Guido zu suchen und ihn hinauszubringen. Wenn es möglich war, wollte er sich den Anblick der Szenen ersparen, die sich seiner
Vorstellung nach dort abspielten: halbnackte Weiber, verrohte Männer, Schmutz und dazu dumpfer Schweißgeruch. Der junge Mann nickte und ging ohne zu zögern mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck und zusammengebissenen Zähnen hinein. Wenige Augenblicke später kam er jedoch sichtlich aufgelöst wieder heraus. Er erklärte, Guido Arlotti sei nicht in der Lage hinauszukommen und könne vielleicht nicht einmal reden. Der Wirt hatte ihm gesagt, er läge noch von der vergangenen Nacht vollkommen betrunken in seinem Zimmer im oberen Stockwerk.
Uberto überlegte, was er tun sollte. Da er so weit gelaufen war, wollte er Antworten. Es blieb ihm nichts anderes übrig: Er sagte den beiden, sie sollten ihm folgen, und betrat die Taverne.
Der Schmutz und der Gestank entsprachen genau seiner Vorstellung. Die Dirnen und Säufer mussten die kurze Zeit jedoch genutzt haben, um zu verschwinden: Die Taverne war verlassen bis auf drei Männer mit unstetem Blick, die schweigend um einen
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