Das Geheimnis der Apothekerin
Shuttleworth und Francis in der nächsten Woche, die wieder sonnig und warm war, alle Hände voll zu tun hatten.
Sie hatten Dr. Graves noch ein paar Mal gesehen, wenn er in Begleitung Dr. Fosters in den Laden gekommen war. Der jüngere Arzt war ein wenig steif und formell, fand Francis. Er vermutete, dass dieses förmliche Verhalten eine Unsicherheit überdecken sollte, die wohl jeder frischgebackene Arzt empfand. Francis beschloss, ihm gegenüber so freundlich und hilfsbereit wie möglich zu sein, auch wenn der Neue Mr Haswell behandelte, was er irgendwie als unausgesprochene Kritik an seinen eigenen Fähigkeiten empfand.
Während Dr. Foster häufig die Shuttleworth-Apotheke aufsuchte, bevorzugte sein neuer Partner die Haswellsche Apotheke. Francis wusste sehr wohl, dass der Hauptgrund dafür nicht Mr . Haswell war, aber er konnte dem Mann keinen Vorwurf daraus machen.
Er dachte an die regnerische Nacht zurück, die er in seinem alten Bett in der Kammer verbracht hatte, die unter Lillys Zimmer lag. Welch bittersüße Empfindungen hatte das in ihm geweckt, Erinnerungen an die vielen Nächte, die er hier geschlafen hatte, getröstet und gleichzeitig gepeinigt von dem Bewusstsein, dass sie in ihrem Bett in dem Zimmer über ihm lag. Hätte er ihr sagen sollen, wie sehr sie ihn anzog?
Sie war dieselbe wie immer und doch völlig anders. Ihr Gesicht war schmaler, ihr Körper etwas fülliger, doch das konnte auch auf den Schnitt der Kleider, die sie jetzt trug, zurückzuführen sein. Sie war so klug und reizend wie immer, wirkte aber trotzdem distanzierter, unnahbarer – als sei sie überzogen mit einer schimmernden Schicht, die ihr wahres Selbst verbarg. Ihm war klar geworden, dass sie sich für etwas Besseres hielt als ihn. Wahrscheinlich hatte sie das schon immer getan, doch ihr Aufenthalt in London hatte diese Distanz noch verstärkt. Vielleicht ist es ja besser so , sagte er sich. Er konnte nicht zulassen, dass sie seine sorgfältig zurechtgelegten Lebenspläne störte. Und welche Chance hatte er schon gegen einen gut aussehenden Londoner Arzt?
Eines frühen Morgens klopfte es unten an der Ladentür. Lilly war noch in ihrem Schlafzimmer. Sie lief rasch die Treppe hinunter, um die Tür zu öffnen. Sie war bereits angezogen, aber noch nicht frisiert.
Sie schloss die Tür auf. Draußen stand Dr. Graves. Er starrte sie an, blickte dann aber weg und räusperte sich.
Sie warf ihr langes Haar über die Schulter zurück. »Ich bin noch nicht ganz fertig angezogen.«
»Nein … äh … Ihr Haar ist wunderschön«, sagte er zögernd.
»Danke«, sagte sie, sehr verlegen, aber doch geschmeichelt und bat ihn ins Haus hinein. »Sind Sie gekommen, um nach Vater zu sehen? Er schläft noch.«
»Nein. Zu ihm komme ich später noch einmal.« Er starrte sie immer noch an.
»Brauchen Sie etwas?«
Er blickte sich um und als er sah, dass der Laden leer war, sagte er leise: »Miss Haswell, als ich hier ankam, sagte ich Ihnen, dass es etwas gibt, das ich Ihnen sagen möchte.«
Lillys Herzschlag beschleunigte sich. »Ja?«
»Ich wollte auf einen geeigneten Zeitpunkt warten. Als ich sah, wie krank Ihr Vater war, wollte ich Sie nicht damit überfallen.«
Sie nickte. Ihr Mund war völlig ausgetrocknet.
»Ich muss es Ihnen sagen, Miss Haswell. Ich war sehr enttäuscht, als ich bei den Elliotts vorsprach und feststellen musste, dass Sie weg waren. Ihre Tante hat mir den Grund damals nicht genannt.«
Das konnte Lilly sich gut vorstellen.
»Doch nachdem ich nun über alles … äh … nachgedacht habe«, fuhr er fort, »glaube ich zu verstehen, warum Sie die Stadt verließen, ohne sich zu verabschieden.«
»Ich dachte nicht, dass Sie nach dem Gespräch über meine Mutter, das wir führten, noch Interesse an mir hätten.«
»Über eben dieses Gespräch wollte ich gern mit ihnen reden.«
Oh du meine Güte.
»Am gleichen Tag, an dem wir miteinander gesprochen hatten, suchte ich meinen Bruder auf. Er ist Anwalt – das habe ich Ihnen, glaube ich, schon gesagt. Er ließ in meinem Namen Nachforschungen über den ehemaligen Leutnant James Wells anstellen.«
Lilly war verblüfft. Das war ganz und gar nicht das, was sie zu hören erwartet hatte.
Dr. Graves fuhr fort: »Es sieht so aus, als arbeite Wells jetzt auf einem Schiff, das Sträflinge deportiert. Er hat eine Adresse in Cheapside, ist aber wahrscheinlich nur sehr selten zu Hause. Er …«
Graves schwieg und Lilly hielt den Atem an. Sie versuchte, die Gedanken hinter seinem
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