Das Geheimnis der Apothekerin
Interesse, als sie gewöhnlich gegenüber Gästen zeigte.
Mr Shuttleworth genoss gerade ein frühes Abendessen und Lilly stellte auch ihm Dr. Fosters neuen Partner vor.
»Dr. Foster hält große Stücke auf Sie, Sir«, sagte Dr. Graves zu ihm.
»Sehr verbunden«, lächelte Mr Shuttleworth. »Sein Vertrauen ehrt mich.«
Francis kam herein, den Hut in der Hand. Er blieb abrupt stehen, als er den gut angezogenen Mann neben Lilly sah.
»Mr Baylor, setzen Sie sich zu mir?«, fragte Mr Shuttleworth erfreut. »Sie kommen viel zu selten hierher.«
»Danke, Mr Shuttleworth, aber ich wollte nur etwas ausrichten. Mr Robbins bittet Sie, bei ihm vorbeizukommen, sobald Sie Zeit haben. Einer seiner Arbeiter hat sich am Bein verletzt. Es ist möglicherweise gebrochen.«
»Ich komme sofort.« Mr Shuttleworth stand auf, schüttelte Dr. Graves die Hand und deutete auf Francis. »Kennen Sie schon Mr Baylor, meine rechte Hand?«
Francis begrüßte den Neuankömmling höflich, aber Lilly entging sein nachdenklicher Blick nicht, der zwischen ihr und dem gut aussehenden Fremden hin- und herwanderte.
28
GOWLAND'S LOTION
Den Jähzorn treibt sie zum Haus hinaus,
Sommerspross und Pickel macht sie rasch den Garaus.
Anzeige in Ackermann's Fundgrube, 1809
Der Regen schien kein Ende nehmen zu wollen. Ein rauchgrauer Himmel legte seit drei Tagen ohne Unterlass triefende, bleierne Laken über Bedsley Priors. Dr. Graves besuchte Lillys Vater, dessen Zustand sich zusehends besserte, doch ansonsten war im Laden und in der ganzen High Street kein anderes Geräusch zu vernehmen als das Prasseln des Regens auf dem Dach und den Pflastersteinen. Am Ladenfenster liefen breite Rinnsale hinunter und nur ganz selten sah Lilly einen mutigen Menschen auf dem Weg zum Kaffeehaus vorbeihasten, denn dort, so hatte es den Anschein, suchte das halbe Dorf Schutz vor dem Wetter.
Am Spätnachmittag des dritten Tages wurde plötzlich die Ladentür aufgestoßen. Lilly, die an der hinteren Theke saß und in einem abgegriffenem Exemplar von Sternes Empfindsamer Reise durch Frankreich und Italien las, schrak zusammen. Francis platzte herein, ein in Leinwand gewickeltes Bündel unter dem Arm. Von seinem Mantel und der Krempe seines völlig durchnässten Hutes lief das Wasser in Bächen herunter.
»Du meine Güte«, sagte Lilly und schloss das Buch. »Was ist passiert, dass du bei solchem Wetter ausgehst?«
Statt einer Antwort fragte er: »Können wir ganz sicher sein, dass Gott versprochen hat, die Erde nie mehr zu überfluten?«
Sie lächelte. »Ganz sicher. Jedenfalls nicht die ganze Erde.«
»Anscheinend nur Bedsley Priors.«
Ihr Vater tauchte in der Tür des Behandlungszimmers auf und lehnte sich an den Rahmen. »Hallo, Mr Baylor. Haben Sie keine Angst, dass Ihnen Schwimmhäute wachsen könnten?«
Francis hielt das Bündel hoch. »Ich bringe Ihnen das Buch zurück, das Sie mir geliehen haben. Ich wollte nicht, dass es nass wird.«
Charles Haswell verzog verwirrt das Gesicht. »Und da gehen Sie bei diesem Wetter raus …?«
»Es ist das Dach, wissen Sie. Jetzt weiß ich, warum das alte Herrenartikelgeschäft so lange leer stand. Das Dach ist undicht. Es war schon immer undicht, wenn es stark geregnet hat. Aber nach diesem Sturm hat es Löcher wie ein Sieb. Ich musste die Teppiche aufrollen und das Bettzeug und meine Kleidung und Papiere wegpacken. Mr Shuttleworth tut das Gleiche.«
»Und der Laden?«, fragte Lillys Vater.
»Oben haben wir Eimer und Schüsseln aufgestellt, der Laden unten ist noch einigermaßen trocken.«
»Ah.« Es war nicht klar, ob Charles Haswell erleichtert oder enttäuscht war. Er sagte: »Sie sollten alles, was nicht verderben darf, zu uns herüberbringen. Und natürlich sind Sie herzlich eingeladen, heute Nacht hier zu schlafen.«
Francis warf Lilly einen Blick zu. »Ich möchte mich nicht aufdrängen, Sir.«
»Das tun Sie auch nicht. Aber vielleicht sagt Ihnen die Aussicht, in einem Teich zu schlafen, ja zu?«
Francis schüttelte den Kopf. »Ich habe mich in der Tat schon gefragt, wie ich die ganze Nacht den Kochtopf auf meinem Bauch im Gleichgewicht halten soll …«
»Dann wäre das also geklärt. Sie verbringen die Nacht hier.« Er zögerte kurz, fügte dann aber hinzu: »Und laden Sie Shuttleworth ebenfalls ein. Sie sind beide herzlich willkommen.«
Eine Dreiviertelstunde später quetschten sich die beiden Männer durch die Ladentür, sich gegenseitig behindernd mit den Taschen und Bündeln, die sie im Arm trugen. Sie
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