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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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nicht in meiner Macht.«
    »Ist es die Aufgabe, gegen die Sie sich sträuben, oder der Mann, der sie von Ihnen erbittet?«
    Sie holte tief Luft. »Im Moment bin ich voll ausgelastet damit, meinem Vater und mir selbst Kraft zu geben.«
    Er ließ ihre Hand los und richtete sich auf. »Natürlich. Ich kann Ihnen auch keinen Vorwurf daraus machen. Sie kennen meine Schwächen nur allzu gut.«
    »Haben wir nicht alle gewisse Schwächen, Dr. Graves?«, fragte Lilly freundlich. »Außerdem scheinen Sie Ihre Schwächen, wie Sie sie nennen, eine nach der anderen zu überwinden, seit Sie nach Bedsley Priors gekommen sind.«
    Er grinste schief. »Womit ich wieder bei meinem Thema wäre.«
    Sie nahm ihre Haube ab und hängte sie an einen Haken. »Wir sind wirklich ein gutes Team«, räumte sie ein, »wie sich auch heute wieder gezeigt hat.«
    »Ja, obwohl ich nicht von Ihnen erwarten würde, dass Sie mit mir zusammenarbeiten, wenn wir … Es sei denn, es wäre ein ganz einfacher Fall oder es ginge um eine Frauensache wie heute bei Mrs Somersby.«
    »Warum? Glauben Sie, dass eine Frau nicht dazu fähig ist, medizinisches Wissen und medizinische Fertigkeiten zu erwerben?«
    »Nun ja, ich sage nicht, dass es unmöglich ist, wenn die Universitäten Frauen zulassen würden. Aber das tun sie nun einmal nicht.«
    »Ich habe meinem Vater schon immer geholfen.« Sie ging hinter die Ausgabetheke.
    »Das weiß ich. Und ich bewundere Ihre Fähigkeiten.« Er trat ebenfalls an die Theke und blickte auf sie hinunter. »Aber, Miss Haswell, wenn Sie erst einmal … wenn Sie verheiratet sind, werden Sie diese Fähigkeiten nicht mehr benötigen, auch wenn Ihnen als Herrin des Hauses ein bisschen Grundlagenwissen über Wundversorgung, Diätküche und dergleichen natürlich von Nutzen sein wird.«
    Sie hätte erleichtert sein sollen, dass er nicht mehr von ihr erwartete. Hatte sie denn nicht gerade diesem Leben entfliehen wollen? Warum fühlte sie sich dann so abgewertet?

32

    Ich versuche, den Blick weder nach vorn noch zurück zu richten,
sondern nach oben.
    Charlotte Bronté
    Lilly stand auf der Hintertreppe ihres Hauses. Sie ließ den Blick über den Garten schweifen und atmete tief die Luft des englischen Sommermorgens ein. In der Nacht hatte es geregnet und jetzt roch es wunderbar frisch und grün. Grey's Hill – ihr Hügel – war hinter der Gartenmauer gerade noch sichtbar. Sie schloss die Augen und freute sich an der warmen Liebkosung der Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht und ihren Armen, obwohl sie wusste, dass sie eigentlich nicht ohne Hut hinausgehen sollte . Ach, was macht schon eine Sommersprosse mehr …
    Die Vögel zirpten glücklich in der Weißbuche und in den Linden und irgendwo auf der High Street hörte sie das Hufgeklapper eines einzelnen Pferdes. Die Kirchenglocken läuteten und als das Geläut verklang, hörte man wieder nichts mehr bis auf den Gesang der Vögel.
    Unwillkürlich musste sie daran denken, wo sie vor einem Jahr gewesen war und was sie damals getan hatte. Sie wusste, dass sie sich dieser Erinnerung nicht überlassen und dieses Jahr nicht mit dem letzten vergleichen durfte, aber sie gab dem Bedürfnis einfach nach und ließ die Erinnerungen aufsteigen.
    Viele Pferdehufe hatten die belebte Straße vor dem Haus der Elliotts in Mayfair widerhallen lassen. Kutschenräder und Kirchenglocken waren zu hören gewesen. Dupree hatte das Frühstückstablett heraufgebracht, auf dem zu Ehren des Tages eine Vase mit zitronengelben Lilien gestanden hatte. Dann hatte sie Lilly geholfen, in ein neues Kleid aus Musselin mit einem zarten Zweigenmuster zu schlüpfen und ihr Haar mit Bändern zurückgenommen.
    Später war sie mit Tante Elliott und Christina Price-Winters einkaufen gegangen. Roger hatte ihr gratuliert und ihr einen Blumenstrauß und einen wunderschönen Fächer geschickt. Dann hatten sie im Clarendon diniert und danach waren sie ins Royal Theatre gegangen, wo sie eine Loge mit Will Price-Winters und seiner damaligen Verlobten und mit Christina, Toby Horton und Roger Bromley teilten. Von ihrer Tante und ihrem Onkel hatte sie eine Perlenkette bekommen und von Christina einen neuen Schal. Sie erinnerte sich natürlich an die Geschenke, aber ihre Sehnsucht galt nicht ihnen. Sie vermisste ganz einfach das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, geschätzt zu werden.
    Sie erinnerte sich an Mr Marlows Rat, auf welche Weise unangenehme Erinnerungen am besten zu bewältigen waren, und dachte, dass es auch Zeiten gab, in denen man

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