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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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zögerte er und umfasste ihre Finger fester. »Deine Hände sind ja eiskalt!« Er ließ sie los und packte ihre Arme. »Ganz, ganz langsam, ja?« Behutsam half er ihr, sich auf die Bank zu setzen. Dabei wurde ihr klar, dass das metallische Geräusch, das sie gehört hatte, das Klappern war, mit dem er die Lampe hastig auf dem Boden abgesetzt hatte. Ihr Licht vermochte die Kapelle nur schwach zu erhellen.
    »Mal sehen, ob wir deine Glieder wieder ein bisschen zum Leben erwecken können.« Er rieb ihre Hände, zuerst schnell; dann knetete er sie fester.
    »Meine Knie …«
    Sie hatte nur sagen wollen, wie seltsam sie sich anfühlten, gleichzeitig taub und doch prickelnd, als würden sie mit tausend Nadeln gestochen. Aber Francis verstand es als Bitte und fing an, ihre Knie ebenfalls zu massieren. Obwohl seine Berührung sehr professionell war und sie einen dicken Kaschmirrock trug, der dem Anstand vollkommen Genüge tat, war die Berührung doch unzweifelhaft sehr intim. Am Anfang verstärkten seine Bemühungen den Schmerz erst einmal, doch allmählich ließen die Nadelstiche nach und ihre Beine wurden wieder warm.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder ihren Händen zu. »Immer noch kalt.«
    Sie ließ es zu, dass er ihre Hände rieb und knetete, und plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. Es war so schön, wenn sich jemand um einen kümmerte. Eine alte Erinnerung wurde wach – ihr Vater, der ihr Gesichtchen in beide Hände nahm: » Die Patientin hat kein Fieber, leidet aber unter einem akuten Anfall von gutem Aussehen und Sommersprossen .«
    »So.« Francis legte ihre Hände auf ihren Schoß und sprang auf. Sie vermisste seine Berührung sofort.
    Er ging und holte die Lampe und setzte sich wieder neben sie. »Wärm deine Hände daran.«
    Sie tat es bereitwillig.
    Während sie damit fortfuhr, fragte er: »Darf ich fragen, was dich heute Abend hierhertreibt? Ist es dein Vater?«
    Sie nickte. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Und Charlie …« Sie erzählte ihm, dass der Konstabler ihn mitgenommen und ihr Vater einen erneuten Zusammenbruch erlitten hatte. Dabei spürte sie mehr, als sie sehen konnte, dass er grimmig den Kopf schüttelte, denn ihre Hände schirmten das wenige Licht, das die Lampe spendete, ab.
    Er stellte die Lampe auf den Fußboden vor ihnen, zog seinen Mantel aus und legte ihn ihr über die Schultern. Es war wie eine warme Umarmung. Der Duft nach Kräutern und Holzfeuer hüllte sie ein. Wieder nahm er ihre Hand in seine. »Bist du einverstanden, dass ich für dich bete?«
    Sie zögerte. »Jetzt?«
    Er nickte.
    »Laut?«
    Seine Lippen kräuselten sich. »Ja, es sei denn, du liest lieber meine Gedanken.«
    Sie biss sich auf die Lippen. »Gut.«
    Francis neigte den Kopf, das Licht der Lampe fiel auf sein Profil. Wann war sein Kinn nur so markant geworden? Jetzt, am Abend, zeigte sich außerdem ein Hauch von Bartwuchs.
    »Gütiger Vater, bitte sieh gnädig auf die Familie Haswell. Hab Erbarmen mit Charlie, der in großer Gefahr ist. Lindere die Schmerzen von Mr Haswell und heile ihn von seiner Krankheit. Gib Lilly Kraft, ihre schwere Lage zu ertragen, und tröste sie alle. Tu dies um unser aller Heiland willen, in dessen heiligem Namen wir beten. Amen«
    »Amen«, wiederholte Lilly leise. Ihr Herz hatte sich bei seinen einfachen, aber doch so aufrichtig gemeinten Worten erwärmt. Sie spürte, wie sie von neuer Hoffnung erfüllt wurde.
    Auf einmal wurde sie verlegen, weil sie hier, an einem dunklen, ruhigen Ort so dicht bei Francis saß. Sie entzog ihm vorsichtig ihre Hand, straffte sich und blickte zum Chor hinauf, der von dem flackernden Licht nur spärlich erhellt wurde. Dann fragte sie, um einen leichten Ton bemüht: »Hast du denn an den Sonntagen nicht genug von diesem Ort?«
    Er lehnte sich zurück. »Na ja, bei all dem Blättern und Singen und der Predigt lauschen – was ich sehr gerne tue, da darfst du mich nicht missverstehen – bleibt kaum Zeit für ruhiges Nachdenken.«
    »Kannst du das denn nicht zu Hause in deinem Zimmer machen? Jetzt, wo das Dach repariert ist, meine ich.«
    Er lachte leise. »Ich versuche es. Aber so gut Mr Shuttleworth und ich auch miteinander auskommen – es ist doch anstrengend, unentwegt seinen Arbeitgeber um sich zu haben. Und – nun ja – er singt gern. Oft. Und mit großer Begeisterung.«
    Lilly musste ebenfalls lachen. »Die meisten Männer würden ins Hare and Hounds fliehen oder ins Kaffeehaus.«
    »Das stimmt. Aber ich kann es mir nicht

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