Das Geheimnis der Apothekerin
wollt.«
»Wie schön, dass man in Ihrem Dorf einfach so jemand vergiften kann, Ackers.«
»Nu ma langsam, Foster. Nich fies wer'n. Se wiss'n genau, dass ich die Augen offenhalt. Un wenn irgendwas passiert, kümmer ich mich drum, jawoll.«
»Das freut mich zu hören.«
Danach gab es eine Pause. Francis, der dachte, das Gespräch sei zu Ende, wollte sich schon zurückziehen, als Dr. Foster plötzlich noch etwas sagte.
»Mr Ackers, vielleicht könnten wir die Sache im Hare and Hounds weiter besprechen? Ich jedenfalls habe Durst bekommen.«
»Wenn Sie zahlen, jederzeit«, antwortete Bill Ackers. »Ich war immer fair zu jedem, jawoll.«
39
Ein Rotkehlchen hinter Käfiggittern
lässt alle Himmel in Zorn erzittern.
William Blake, Weissagungen der Unschuld
Während Charlie am nächsten Morgen sein Frühstück aus Eiern und Würstchen aß, verließ Lilly kurz die Küche, kam aber gleich wieder zurück, schwer beladen. »Ich habe etwas für dich, Charlie.«
Charlie, noch kauend, blickte ihr erwartungsvoll entgegen. Lilly stellte eine Schachtel auf den Tisch, an den Platz, an dem früher ihre Mutter gesessen hatte. Die Schachtel war mit Luftlöchern versehen. Voller Vorfreude beobachtete sie das Gesicht ihres Bruders. Er konnte sich zwar nur selten an etwas erinnern, aber sie meinte doch, einen Schimmer des Wiedererkennens in seinen Augen zu sehen.
Er schluckte den Bissen hinunter und sagte: »So was hab ich schon einmal gekriegt.«
»Ja, das hast du. Ich freue mich, dass du dich daran erinnerst.«
Vor einem Loch in der Schachtel erschien kurz ein weißer Fleck und war auch gleich wieder verschwunden.
Charlies Augen wurden groß. »Krieg ich eine Katze?«
Mit etwas Mühe sagte sie ruhig: »Mach die Schachtel auf und schau nach.«
Er zögerte noch.
»Mach schon.«
Charlie nahm vorsichtig den Deckel ab. Ein Kätzchen, nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht ganz ausgewachsen, hob sein graues Köpfchen und legte zwei weiße Pfoten auf die Kante der Schachtel. Es schnupperte und als Charlie ihm seine Finger hinhielt, schnupperte es auch daran.
»Hallo, mein Junge.« Charlie sah ängstlich zu ihr hoch. »Es is doch ein Junge, oder?«
»Ich bin kein Fachmann in dieser Sache, aber Mr Fowler hat mir versichert, dass es tatsächlich ein Kater ist.«
»Gut. Es wäre nämlich komisch, eine Mädchen-Katze Jolly zu nennen.«
Das Herz wurde ihr warm und tat gleichzeitig weh. »Willst du ihn so nennen?«
Er nickte. »Sieht er wie der erste Jolly aus, Lilly? Ich weiß nicht mehr richtig.«
»Nun, ich kann mich sehr gut erinnern, und er sieht deinem alten Jolly tatsächlich sehr ähnlich. Ich würde sagen, der Kleine ist sein Enkel oder Großneffe.«
»Oh, ist das schön, ist das schön!«
Doch plötzlich verdunkelte sich Charlies Gesicht. Verlegen sagte er: »Aber sie hat doch gesagt, ich dürfte nie wieder eine haben.«
»Sie …« Lilly zögerte und sagte dann freundlich: »Mutter ist fort. Aber Vater und ich wollen, dass du eine Katze hast.«
»Und was ist, wenn er wieder wegläuft?«
Lilly antwortete heiser: »Dann helfe ich dir, ihn zu finden. Aber du wirst ihn lieb haben und besser für ihn sorgen als irgendjemand sonst in Bedsley Priors. So wie ich dich lieb habe.«
Das Kätzchen kam mit seiner Schnauze ganz dicht an Charlie heran und schnupperte an seiner Wange und an seinem Mund.
Lilly lächelte unter Tränen: »Er scheint dich schon richtig zu mögen.«
Charlie streichelte die Katze. »Das glaub ich auch. Oder die Milch, die ich zum Frühstück getrunken hab.«
»Du bist aber auch wirklich sehr vorsichtig mit ihm.«
»Das hat mir Mrs K. beigebracht.«
Lilly nahm aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und als sie aufblickte, sah sie ihren Vater in der Tür stehen. Ihre Blicke begegneten sich und sie merkte, dass sie nicht die Einzige war, die Tränen in den Augen hatte.
Drei Tage später, kurz vor Ladenschluss, kam Bill Ackers hereingepoltert. Lillys Herz klopfte so wild, als hätte sie Fingerhut genommen. Ackers war ein großer, breitschultriger Mann, Ende zwanzig, mit kräftigen Armen von seiner Arbeit als Schmied und jahrelangen Raufhändeln. Charlie, den Besen in der Hand, blieb stocksteif stehen und starrte ihn an.
»Charlie Haswell, da biste ja. Wegen dir bin ich da.«
Charlies Mund öffnete sich. »Sie is tot, oder, Mr Ackers? Die arme Mrs K. is auf dem Friedhof.«
»Nee, bis jetzt noch nich. Is aber nich dein Verdienst.«
»Gott sei Dank«, hauchte Lilly.
»Trotzdem wurd ein
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