Das Geheimnis der Apothekerin
Unrecht begangen, Junge. Und deshalb bin ich hier. Ich nehm dich mit.«
»Ins dunkle Haus, Mr Ackers?«, fragte Charlie.
»Jou.«
»Mr Ackers«, protestierte Lilly panisch, »wenn jemand dafür verantwortlich ist, dann ich.«
»Sie ham also Mrs Kilgrove vergiftet?«
»Niemand hat Mrs Kilgrove vergiftet. Das Wort lässt eine böse Absicht vermuten, oder? Aber ein Fehler ist passiert, das stimmt. Sie hat eine falsche Tablette eingenommen. Kein Gift. Jedenfalls nicht für einen gesunden, kräftigen Menschen. Aber für eine Achtzigjährige …«
»Miss Haswell, ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass es ein Verbrechen is, jemand die falsche Medizin zu geben, egal, wie alt er is. Und es hat sie immerhin fast untern Boden gebracht. Wollen Sie das leugnen?«
»Nein. Natürlich war es falsch. Und ich erwarte ja auch gar nicht, dass es keine Konsequenzen hat. Aber es ist mein Fehler, ich habe schließlich die Verantwortung für den Laden.«
»Also is das jetzt tatsächlich so. Hat Ihr Vater vielleicht auch was dazu zu sagen?«
»Vater erholt sich von einer Krankheit, Mr Ackers. Aus diesem Grund habe ich vorübergehend die Verantwortung übernommen. Ich habe die Tabletten in das Fläschchen abgefüllt und die falschen Tabletten daneben liegen gelassen. Charlie hat sie nur ausgeliefert.«
»Sie erzähln mir also, dass Sie die falschen Pillen in das Fläschchen gefüllt ham?«
Sie schluckte. »Nun ja. Ich habe sie nicht wirklich hineingetan, aber letztlich sind sie durch meine Nachlässigkeit hineingeraten, ja.«
»Und wer hat sie tatsächlich reingelegt?« Ein finsteres Leuchten trat in seine Augen.
Sie änderte ihre Taktik. »Komme ich jetzt vor den Friedensrichter, Mr Ackers?«
»Könnte sein, ja. Jedenfalls muss ich ihn einbuchten bis zur nächsten Quartalssitzung in Devizes. Was Ihrn Bruder angeht, glaub ich, dass die auf 'ne Gefängnisstrafe oder Deportation verzichten werden.«
»Ach?« Zaghafte Erleichterung stieg in ihr auf.
»Es gibt scheinbar Anstalten für Schwachsinnige wie Charlie. Wo er sicher verwahrt is und anderen kein Schaden zufügen kann.«
Die Erleichterung war wie weggeblasen. »Er ist nicht schwachsinnig und er fügt anderen keinen Schaden zu!«
»Eine Frau ringt mit dem Tod, die sieht's vielleicht bisschen anders. 'Türlich bloß, wenn se überleben tut.« Er grinste über seinen makabren Scherz.
Lilly kam ein Verdacht. Sie legte den Kopf auf die Seite und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Woher wissen Sie überhaupt von diesen Einrichtungen? Dr. Foster hat Ihnen davon erzählt, war es nicht so?«
»Vielleicht hab ich ihn um Rat gefragt. Aber was ich tu, tu ich aus eigner Vollmacht. Vielleicht sollt ich euch am besten beide festnehmen, bis die Sache geklärt is. In Fisherton Anger gibt's ein Frauengefängnis.«
»Nein!« Die Leidenschaft in Charlies Schrei erschreckte sie fürchterlich. Der Besenstiel fiel klappernd zu Boden. »Lilly hat nichts Falsches getan. Nie. Ich war's, Mr Ackers. Ich weiß nich, wie, aber ich muss es gemacht haben. Lassen Sie Lilly in Ruhe.«
»Das spricht echt für dich, Charlie. Steckt doch trotz allem noch Mumm in dir, würd ich sagen.«
Als Charlie nach vorn trat, nahm Lilly seinen Arm. »Charlie, nein.«
»Lilly?« Ihr Vater erschien in der Tür. Seine Augen blickten müde und besorgt.
»Er will Charlie mitnehmen!« Ihre Stimme wurde lauter. »Ins Gefängnis!«
»Hat alles seine Ordnung, Haswell«, sagte Ackers. »Ich sperr ihn ein, bis die Anhörung stattfindet.«
Ihr Vater sank gegen den Türrahmen. »Dann nehmen Sie mich mit, Ackers. Schließlich ist es meine Apotheke.«
»Sieht so aus, als könnten Sie kaum auf den Beinen bleiben, geschweige denn, 'nen Prozess durchstehen. Sie war'n ja nich mal im Laden, als es passiert is, oder?«
»Ich … ich weiß nicht. Wann ist es denn passiert?«
Lilly antwortete ruhig: »Du warst den ganzen Tag im Bett, Vater.«
»Sieht so aus, als hätt'n sämtliche Haswells es mächtig eilig, die Verantwortung zu übernehmen«, sagte Ackers. »Wär's Ihnen lieber, wenn ich Ihre Madam hier in Arrest nehm, Haswell? Im Moment ist nur 'n Betrunkener dort, es würd also gar nich so schlimm für sie werden.«
»Natürlich nicht, Mann.«
»Ist schon gut, Vater«, sagte Charlie. »Mir macht es nichts aus. Besser wäre es natürlich, wenn es dort Fenster gäbe.«
»Dann wäre es kein dunkles Haus, oder, Junge?« Der Konstabler drehte sich mit harten Augen zu Lilly um. »Er is also nicht schwachsinnig,
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