Das Geheimnis der Apothekerin
Apothekerausbildung in London zurückkam. Doch stattdessen brachte er eine wunderschöne Frau mit.«
Noch jetzt, nach so vielen Jahren, stiegen Maude die Tränen in die Augen. »Ich konnte ihm keine Vorwürfe machen. Wir waren nicht offiziell verlobt. Und Rosamond war wirklich wunderschön. Allerdings schien sie die Heirat fast sofort zu bereuen. Mein Herz war gebrochen, aber ich beschloss weiterzuleben, so gut ich konnte. Ich heiratete Harold Mimpurse, obwohl ich seinen ersten Antrag abgelehnt hatte. Ich hatte schon immer geplant, eines Tages ein Kaffeehaus zu eröffnen, und Harold versprach, mich dabei zu unterstützen. Das war denn auch das einzige Versprechen, das er gehalten hat. Er war ein gutmütiger Mann, aber so treu wie ein Hund.«
Sie warf Mary einen Blick zu. »Tut mir leid, mein Liebling.«
Mary nickte.
»Er war öfter unterwegs als zu Hause, ging hausieren mit seinen Kupferwaren, nachdem er aus der Armee entlassen worden war. Dabei traf er sich mit einer Witwe in Reading, mit der er bald mehr Nächte verbrachte als mit mir. Während einer dieser Zeiten, in denen Harold fort war, ist deine Mutter zum ersten Mal weggelaufen. Das war, noch bevor du auf der Welt warst.«
»Das erste Mal?«, unterbrach sie Lilly. »Sie war schon einmal weggelaufen?« Sie erinnerte sich sofort an Mrs Kilgroves scheinbar im Delirium gesprochene Worte, dass ihre Mutter früher schon einmal zurückgekommen sei.
Maude nickte. »Charles und ich waren beide einsam und traurig und haben der Versuchung nachgegeben. Ich dachte damals, dass wir vielleicht doch noch zusammenkommen könnten, Charles und ich. Doch dann war Rosamond nach nur zwei Tagen plötzlich wieder da. Als sei sie nur einkaufen gegangen. Ich weiß nicht, ob sie deinem Vater jemals erzählte, wo sie hingegangen war oder mit wem, aber ich sah, wie erschüttert sie war und wie sehr sie bereute, was sie getan hatte. Charles und ich schämten uns damals sehr und verloren jahrelang kein Wort mehr darüber.
Danach hatte es den Anschein, als führten deine Eltern eine wirkliche Ehe. Jedenfalls eine Zeit lang. Auch Mr Mimpurse kam zurück, allerdings ohne etwas zu bereuen. Er ging denn auch bald wieder, wohingegen Rosamond blieb. Wie hätte ich Charles damals sagen können, dass ich sein Kind trug? Wo seine Ehe doch endlich auf festem Grund zu stehen schien? Und vor allem, wo Rosamond mir nach kurzer Zeit gestand, dass sie ebenfalls ein Kind erwartete?« Maude hielt inne und trank ihr Glas aus.
Wie schwer das für sie gewesen sein muss , dachte Lilly. Sie hatte immer gewusst, dass ihr Vater und Mrs Mimpurse einander trotz ihres rauen Umgangstons mochten, aber sie hatte keine Ahnung gehabt, wie tief diese Gefühle waren.
»Als Rosamond in den Wehen lag, habe ich mich gefragt, ob ihr Kind wohl aussehen würde wie Charles … und noch heute frage ich mich manchmal, ob er nicht Angst hatte, dass das nicht der Fall wäre.« Sie sah Lilly an und ihre Augen glänzten von dem ungewohnten Weingenuss. »Doch ein einziger Blick auf dich und es bestand kein Zweifel, dass du Charles Haswells Tochter warst, mit dem roten Haarschopf, den du sehr schnell bekamst. Als du älter wurdest, sahst du dann deiner Mutter immer ähnlicher, aber auch deinem Vater gleichst du in vieler Hinsicht.
Danach versuchte ich wirklich, deiner Mutter eine gute Freundin zu sein. Die Tatsache, dass wir beide fast gleich alte kleine Mädchen hatten, verband uns natürlich. Ich kann nicht sagen, dass ich keinerlei Ressentiments mehr ihr gegenüber empfand, aber ich betete darum, dass Gott mir die Kraft gab, sie zu lieben, und ich glaube, er hat mein Gebet erhört.«
Maude schenkte allen nach, obwohl ihr Glas das einzige leere war.
»Dann verging die Zeit recht ereignislos, bis Charlie geboren wurde. Es war eine sehr schwere Geburt. Dein armer Vater. Er tat, was er konnte, aber es genügte nicht. Er ließ sogar Dr. Foster holen. Es dauerte aber so lange, bis er endlich kam, dass Charles schon dachte, er würde gar nicht kommen. Foster hat sich nie für seine Verspätung entschuldigt. Ich glaube nicht, dass dein Vater ihm das je vergeben hat.«
Lilly schüttelte den Kopf. »Das wusste ich nicht.«
»Schließlich kam Foster doch noch mit seinen grauenhaften Zangen und seiner kalten Herablassung und zog das Kind schließlich aus deiner Mutter heraus. Man muss ihm zugute halten, dass er es wiederbelebte. Der arme Charlie war schon ganz blau, als er zur Welt kam.«
Nachdenklich schüttelte Maude den Kopf.
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