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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Schürze, die sie sonst immer trug. Das Kaffeehaus ihrer Mutter schloss an Montagen um dreizehn Uhr und Mary hatte den Nachmittag frei. Sie zog sich einen Stuhl neben die Theke und sah zu, wie Lilly Lakritzbonbons abzählte und in kleine Papierschächtelchen packte. Sie griff nach einem Bonbon und steckte es sich in den Mund.
    »Die sind für medizinische Zwecke«, sagte Lilly in gespieltem Vorwurf. »Ich habe nicht den Eindruck, als hätten Sie eine Erkältung, Miss Mimpurse.«
    Mary zuckte unbekümmert die Achseln. »Kleb ein Schildchen drauf und nenn es Medizin. Ich nenne es Bonbon. Zucker oder Honig?«
    »Honig.«
    »Köstlich.«
    Während Mary ihr Lakritzbonbon genoss, erzählte Lilly ihr von ihrem Plan, nach London zu gehen. Sie wollte gleich nach Weihnachten abreisen. Wie Francis reagierte auch Mary mit weit weniger Begeisterung, als sie erwartet hatte.
    Lilly sah ihre Freundin an, die irgendwie gekränkt wirkte, und fragte: »Was ist denn los?«
    »Nichts. Ich freue mich für dich. Wirklich.« Doch es klang bissig und ihr Mund war schmal geworden. »Du wirst dich großartig amüsieren und uns alle sehr schnell vergessen.«
    »Unsinn. Ich vergesse gar nichts und ganz bestimmt nicht meine beste Freundin.«
    Mary wich ihrem Blick aus.
    Lilly legte ihr eine Hand auf den Arm. Es war ein kräftiger Arm, kräftig von dem vielen Teigkneten, so wie Lillys Hände und Arme, die vom Umgang mit Mörser und Stößel stark waren. »Ich werde dich vermissen, Mary«, sagte sie.
    Mary nickte nur kurz, aber nach einem Augenblick legte sie ihre Hand auf Lillys und sagte: »Ich dich auch.«
    »Dann komm doch mit.« Sie schob Mary ein Schächtelchen hin und fing selbst an, eins zu verpacken. »Tante Elliott hat gesagt, ich dürfte dich als Zofe mitbringen.«
    Mary erstarrte. Ihr kleiner Mund schnappte nach Luft. »Wirklich? Woher weiß sie denn überhaupt, wer ich bin?«
    »Sie hat meine Frisur bewundert. Ich habe ihr gesagt, dass du sie gemacht hast – und ich habe ihr auch von deinen vielen anderen Talenten erzählt.« Sie streckte die Hand aus und zwickte Mary in die Nase.
    Doch ihre Freundin lachte nicht und fing auch keine Balgerei an, sondern stand auf und sagte kühl: »Dann hast du ihr sicher auch erzählt, dass ich viel zu viel in einem schäbigen Kaffeehaus schuften muss, um nach London zu gehen. Ich gehe jetzt lieber.« Sie wandte sich zur Tür. »Ich muss noch Fußböden schrubben und Kartoffeln schälen …«
    »Mary! Sei doch nicht beleidigt. Du weißt doch, dass ich dich nie als meine Dienerin sehen würde!«
    Mary drehte sich um. »Wirklich nicht? Ich weiß, dass du dich immer für etwas Besseres gehalten hast …«
    »Das habe ich nicht!«
    »Ach nein?« Mary schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Dass sie einen solchen Vorschlag macht, ist mir egal, aber dass du , meine …«
    »Mary, ich habe einfach nicht nachgedacht. Ich wollte nur, dass du mitkommst. Es tut mir so leid! Verzeih mir …«
    Doch die sanfte Mary war schon weg.

    Lilly stand auf der Honeystreet Bridge. Sie ignorierte den Oktoberwind und blickte im schwindenden Abendlicht auf den Kanal hinunter. Ein rotbraunes Tigerkätzchen lag zusammengerollt auf dem Brückengeländer und genoss die Wärme, die die Backsteine tagsüber aufgenommen und gespeichert hatten, und Lillys streichelnde Hände, die dem weichen Fell nicht widerstehen konnten. Lilly seufzte. Wenn nur mein Tag auch so angenehm gewesen wäre …
    Sie sah, dass sich ein Licht im Wasser spiegelte, aber sie konnte das Boot nicht erkennen. War es ein Kanalboot, das sich langsam näherte, oder ein Lastkahn, der bereits für die Nacht vertäut war? Sie blieb noch einen Augenblick stehen, für den Fall, dass es näher kam. Plötzlich kam ihr ein erschreckender Gedanke. Vielleicht sollte sie lieber nicht weggehen. Was, wenn ihre Mutter tatsächlich zurückkehrte und sah, dass sie nicht mehr da war?
    Sie spürte, dass jemand neben sie getreten war, und blickte zur Seite. Es war Charlie. Er hatte die Ellbogen auf das Brückengeländer gelegt; seine Augen waren auf das ferne Licht gerichtet.
    »Hast du mich gesucht?«, fragte Lilly.
    »Ich suche dich immer hier.« Er sah sie an, wandte die Augen aber gleich wieder ab. »Du sollst nicht weggehen.«
    Vater musste es ihm erzählt haben. »Aber Charlie, ich kann doch nicht für immer bei dir und Vater leben und euch beiden den Haushalt führen. Ich weiß, es klingt egoistisch, aber ich will mehr. Ich gehe doch nur zu Onkel und Tante Elliott nach

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