Das Geheimnis der Apothekerin
Außerdem ist er in einer Stunde wieder da und morgen auch und die ganze nächste Woche auch. Hatten Sie vor, bei jedem seiner Auftritte für Ordnung zu sorgen?«
»Nein. Aber ich konnte einfach nicht dabeistehen und zuschauen, wie die Leute sich von diesem Quacksalber hinters Licht führen lassen.«
»Das habe ich gesehen. Ich wollte eigentlich nur ein paar Sachen für das Hospital besorgen und plötzlich sah ich Sie Auge in Auge mit diesem Bastard stehen. Ich traute wirklich meinen Augen nicht.« Er sah sie forschend an. »Und ebenso wenig meinen Ohren. Ich habe nicht alles verstanden, was Sie sagten, aber Ihre Lateinkenntnisse, Miss Haswell, sind wirklich beeindruckend. Ich bin überrascht, dass Sie auch in dieser Sprache unterrichtet wurden.«
Sie zögerte. »Ich habe viel gelernt, seit ich nach London gekommen bin«, sagte sie – was ja auch stimmte. Allerdings hatte Latein nicht dazugehört.
Er blickte die Straße hinunter, auf die wenigen wartenden Kutschen. »Sie sind doch hoffentlich nicht allein hier?«
»Nein. Ich bin zusammen mit der Zofe meiner Tante in einer Mietdroschke gekommen. Sie wird jeden Augenblick hier sein.«
Er sah sie mit leuchtenden Augen an. »Würden Sie mir die Ehre geben, Sie beide sicher nach Hause zu geleiten?«
Sie lächelte erleichtert. »Gern, Dr. Graves.« Dann wandte sie den Kopf zur Seite, um in anzuschauen. »Für jemand, der so zahlreiche Ängste hat, waren Sie heute sehr mutig. Ich danke Ihnen, dass Sie mich gerettet haben.«
Er wurde rot vor Freude und sie hatte den Eindruck, dass seine schlanke Gestalt angesichts ihres Lobes größer wurde.
»Gut«, sagte er, »ich bin sehr froh, dass ich mich meiner Aufgabe gewachsen gezeigt habe.«
10
Gib etwas Bisam, guter Apotheker, meine Fantasie zu würzen.
Shakespeare
Als Lilly später am Nachmittag das Zimmer ihrer Tante betrat, lächelte Ruth Elliott, die bereits am Frisiertisch saß, ihr erwartungsvoll entgegen. »Da bist du ja, Liebes!« Sie klopfte einladend auf die Sitzfläche des Stuhls, der neben ihr stand. »Komm, setz dich zu mir und zeig mir, was du gekauft hast.«
»Ich habe leider nichts gefunden, was ich unbedingt haben musste. Ohne dich macht das Einkaufen einfach keinen Spaß. Und du – wie fühlst du dich?«
»Sehr viel besser.«
»Da bin ich aber froh!«
»Schlaf ist eine ausgezeichnete Medizin. Leider kann man sie nicht kaufen. Ich glaube, ich werde mich jetzt sogar fürs Dinner ankleiden.«
»Tante, darf ich dich etwas fragen …« Lilly bekam heftiges Herzklopfen beim bloßen Gedanken an die schwarze Halskette. Sie musste sich anstrengen, ruhig zu sprechen. »Darf ich dich nach etwas fragen, was ich in deinem Schmuckkästchen gesehen habe?«
Die Augen ihrer Tante funkelten. »Ahh … etwas, das dein Interesse geweckt hat?«
»Ja, so könnte man sagen …«
Ihre Tante stand auf. »Schauen wir doch gleich einmal nach. Was es auch ist … du darfst es gerne tragen. Was für ein Ereignis steht denn als Nächstes an, ich weiß es schon gar nicht mehr? Das Dinner bei den Caldwells?«
Lilly, die mit ihren Gedanken bei etwas völlig anderem war, antwortete eher unbestimmt: »Ja, vielleicht, ich weiß auch nicht genau.«
Ruth Elliott nestelte einen Schlüssel von ihrer schön gearbeiteten Chatelaine. »So, da ist er. Komm mit.«
Lilly folgte ihr ins Ankleidezimmer und sah zu, wie ihre Tante das Schmuckkästchen aufschloss. »Nun, was ist dir in die Augen gestochen? Zeig es mir.«
Lilly hatte feuchte Hände, als sie die Schublade aufzog. Ob die Kette noch da war? Vielleicht hatte sie ja alles nur geträumt.
Doch da lag sie. Ein filigranes Kunstwerk. Schwarzer Onyx. Sie nahm sie ehrfürchtig hoch und wandte sich damit zu ihrer Tante. Ruth Elliott nahm sie ihr ebenso behutsam aus der Hand. Sie runzelte die Brauen. »Das hätte ich nicht gedacht. Sie wirkt sehr streng, findest du nicht? Man kann sie gut während einer Trauerzeit tragen. Aber sie passt zu keinem deiner Kleider …«
»Ich möchte sie nicht tragen. Ich möchte wissen, wie sie hierherkam.«
Ruth Elliott sah sie verständnislos an. Wusste sie wirklich nicht, dass diese Kette ihrer Mutter gehört hatte? Oder versuchte sie einfach, Zeit zu gewinnen, um sich eine plausible Erklärung auszudenken?
»Was meinst du damit, Liebes?«
Lilly wollte nicht glauben, dass ihre Tante fähig war, sie zu täuschen, und ihre unschuldige Frage klang zudem völlig echt.
»Woher stammt sie?«
»Ich … ich weiß auch nicht. Ich glaube … wenn ich
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