Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
Vom Netzwerk:
habe es untersucht. Auf jeden Fall enthält es Opium. Vom Aroma her außerdem Rose und noch etwas anderes.« Er öffnete die Flasche und streckte ihr den Korken hin. Sie beugte sich darüber und schnüffelte vorsichtig. »Rosmarin«, sagte sie, »und Pfingstrose. Diesen Geruch würde ich überall herauserkennen.«
    Er hob beeindruckt die Brauen. »Kein Wunder, dass Lady Rutger dieses Aufbaumittelchen liebt. Schenkt Begierde und Beduftung in einem.« Er zog eine Grimasse. »Verzeihen Sie, das war ungehörig.«
    »Aber wahr«, sagte Lilly. »Darf ich Sie um etwas Mutterkraut und Weidenrinde bitten, wenn ich schon einmal hier bin? Meine Tante leidet häufig unter Kopfschmerzen und ich habe fast alle Pillen, die ich von zu Hause mitgebracht habe, aufgebraucht.«
    »Natürlich. Es wird allerdings ein paar Minuten dauern.«
    »Ich warte gern.« Sie folgte ihm zur hinteren Theke. »Haben Sie Meeres-Mutterkraut?«
    »Nein, leider nur das Gewöhnliche.« Er schaute sie über seine Brille an. »Ich bin überrascht, dass Sie die Unterarten kennen.«
    »Das macht nichts. Ich nehme das Gewöhnliche. Und weiße Weidenrinde.«
    »Sehr wohl.«
    »Du meine Güte«, sagte Polly, »Sie beschämen mich ja.«
    »Ganz und gar nicht, Liebes«, versicherte Mr Lippert ihr. Dann erklärte er Lilly: »Polly macht die Buchhaltung für mich. Sie hat keinen Kopf für Kräuter und ich habe keinen für Zahlen.«
    Lilly lächelte. »Sie ergänzen einander gut.«
    Der Mann nahm die Heilpflanzen und verschiedene Geräte heraus. Als er anfing, damit zu hantieren, fielen Lilly seine knotigen, arthritischen Hände auf.
    »Sie würden mir nicht vielleicht erlauben … ich hätte nie gedacht, dass ich es vermisse, aber … um alter Zeiten willen?«
    »Aber natürlich, meine Liebe, wenn Sie möchten. Ich würde gerne zusehen.« Mit einer großzügigen Armbewegung lud er Lilly in sein Reich ein.
    Lilly legte ihr Täschchen beiseite und trat hinter die Theke. Mit flinken Bewegungen maß sie die Pulver ab und schüttete sie in den Mörser, den Mr Lippert ihr hinhielt.
    »Und was nehmen Sie als Bindemittel?«, fragte er.
    »Gummi arabicum-Lösung, wenn Sie die haben.«
    Er reichte sie ihr. Geschickt fügte sie die Flüssigkeit hinzu, nahm den Stößel und rührte und presste die Stoffe zu einem Brei. Als die Mischung die richtige Konsistenz hatte, legte sie sie auf die Arbeitsfläche, rollte sie, drückte sie dann in die Felder eines alten Pillenbretts und schnitt die Pillen.
    »Sie versteht ihre Arbeit«, sagte Polly.
    Mr Lippert fragte: »Talkum-, Zucker- oder Silberüberzug?«
    »Mutterkraut und Weidenrinde sind beide fürchterlich bitter«, antwortete Lilly.
    »Also Zucker.«
    Mit Hilfe des flachen Schiebers gab sie die rauen Pillen in den Pillendreher, in dem sie rund gedreht und mit Zucker überzogen wurden. Dann legte sie die Pillen auf ein Sieb, damit der Überzug trocknen konnte, und zuletzt verpackte sie die fertigen Pillen in einem Schächtelchen.
    »Du meine Güte«, sagte Mr Lippert, »wenn Sie ein Junge wären, würde ich Ihnen eine Stellung anbieten. Nichts für ungut, meine Liebe.«
    Sie lächelte. »Schon gut. Ich würde ohnehin nicht annehmen. Diese Zeit ist für mich vorbei.«
    »Gut für mich«, sagte Polly, doch ihr Lächeln zeigte, dass sie nicht den geringsten Neid empfand, weil ihr Vater Lilly so sehr lobte.
    »Was kosten die Pillen?«, fragte Lilly.
    »Es wäre nicht richtig, Ihnen den vollen Preis zu berechnen, wo Sie doch die ganze Arbeit getan haben«, sagte Mr Lippert. »Sagen wir Sixpence.«
    »Das ist sehr großzügig von Ihnen. Jetzt weiß ich, warum Sie nicht der reichste Apotheker in der Straße sind – aber Sie sind mit Sicherheit der netteste.«
    »Danke, meine Liebe. Bitte, besuchen Sie uns wieder.«
    »O ja, bitte, tun Sie das«, sagte Polly. »Wir schließen montags um sechzehn Uhr. Kommen Sie doch mal an einem Montag zum Tee.«
    »Das mache ich gern. Danke.«
    Sie steckte das kleine Paket in ihr Täschchen, verabschiedete sich von Polly und Mr Lippert und verließ den Laden. In der Tür blieb sie noch einmal kurz stehen, um den vertrauten Klang der Ladenglocke zu hören.
    Dann trat sie auf die Straße hinaus. Sogleich überfiel sie wieder das Geschrei, mit dem der selbst ernannte Arzt seine Medizin anpries.
    Der kleine, rundliche Mann stand auf einer Kiste neben seinem Wagen. In den hocherhobenen Händen hielt er ein braunes Glasgefäß mit Papieretikett, das er der Menge, die sich dicht um ihn geschart hatte, zeigte.

Weitere Kostenlose Bücher