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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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»Lady Rutger's Aufbaupräparat. Es reinigt das Blut und den Gemütszustand, hellt den Teint auf und beruhigt den Geist.«
    »Gleicht es auch das Konto aus?«, murmelte ein junger Dandy sarkastisch und Lilly verbiss sich ein Lächeln.
    Sie hob ihre behandschuhte Hand und rief: »Darf ich etwas fragen?«
    Der kleine, beleibte Mann schaute sie mit strahlenden Augen an. »Natürlich, schöne Frau. Ich habe nichts zu verbergen.«
    »Welches ist der wichtigste aktive Inhaltsstoff?«
    Seine Augen verengten sich, doch sein Lächeln wurde breiter. »Warum? Möchten Sie ein eigenes Labor eröffnen?«
    Die Menge lachte.
    »Aber nicht doch«, sagte sie unschuldig.
    »Natürlich nicht. War nur ein Scherz. Nun, meine Dame, ich würde Ihnen gern alle aktiven Inhaltsstoffe und Trägerstoffe nennen, aber ich denke nicht, dass es Ihnen etwas sagen würde. Die Welt der Medizin ist die Welt gebildeter Männer, Wissenschaftler, Ärzte …«
    »Und was davon sind Sie, Sir?«, fragte der junge Dandy und deutete mit seinem Spazierstock auf den rundlichen Mann.
    Der Quacksalber stockte in seinem Redefluss, sein Lächeln gefror. »Alles, was ich genannt habe, will ich doch meinen.«
    Lilly hakte nach: »Und wo haben Sie Ihre Ausbildung absolviert?«
    »In der Schule des Lebens, Miss. Ich habe die Welt bereist und Behandlungsmethoden entdeckt, die man in England noch nicht kennt. Ich habe Patienten in elenden Hütten und in prächtigen Schlössern behandelt, Bauern und Adlige.«
    »Sie sind äußerst wortgewandt, Sir«, sagte Lilly in ironischer Bewunderung. »Ich würde gern hören, wie eine so sonore, gebildete Stimme mir die Inhaltsstoffe von Lady Rutger's Aufbaumittel aufzählt.«
    »Die Sprache der Medizin ist das Lateinische, Miss. Selbst wenn ich Ihnen die materia medica sagen würde, würden Sie es nicht verstehen.«
    »Darf ich es wenigstens versuchen?«, fragte sie.
    »Nun gut.« Er sprach rasch und bestimmt. »Dies ist ein patentiertes Mittel, bestehend aus Rosar, Poeniae, Anthos und Bryonia dioica .«
    Er zog die Brauen zusammen und hob einen Mundwinkel in gönnerhaftem Lächeln.
    Sie lächelte süß zurück und verkündete: »Oder, in schlichtem Englisch, Rosenwasser, Pfingstrose, Rosmarin und gewöhnliche Zaunrübe.«
    Seine Nasenflügel bebten, die Kinnlade fiel ihm herunter.
    Lilly spürte, wie die Menge sie anstarrte, hielt ihren Blick jedoch entschlossen auf den Quacksalber gerichtet. »Mit anderen Worten, Pflanzen, die die Leute hier in ihren Gärten und Hecken finden oder in Lipperts Apotheke zum Beispiel für einen Bruchteil dessen, was Sie dafür nehmen, erwerben können. Oder etwa nicht?«
    Der Quacksalber trat von seiner Kiste herunter, kam mit steifen Schritten auf sie zu und beugte sich dicht zu ihr hinunter. »Ich weiß nicht, wer Sie sind«, zischte er, »aber Sie laufen Gefahr, mich wirklich zu verärgern. Für wen arbeiten Sie? Für den alten Lippert? Ist das sein letzter Versuch, seine modrige alte Apotheke zu retten?«
    Sie spürte Angst wie ein Prickeln in sich aufsteigen und trat einen Schritt zurück, fuhr aber trotzdem mit lauter Stimme fort: »Ich arbeite für gar niemand und hatte erst heute das Glück, Mr Lippert kennenzulernen. Aber ich sage Ihnen, Sir, dass es keinen Apotheker - oder selbst ernannten Arzt – in der Apothekerstraße gibt, dem ich so bedingungslos vertraue.«
    »He, Doktor Poole«, rief ein alter Mann, »ich hätte gerne meine elf Schilling zurück, wenn Sie so freundlich wären!«
    »Und ich meine«, rief eine gut gekleidete Matrone.
    Poole trat drohend einen weiteren Schritt auf Lilly zu und sie kämpfte gegen den Wunsch an, einfach wegzulaufen. Sie warf einen hoffnungsvollen Blick auf den Dandy, sah aber, dass er und sein kesser Spazierstock sich hastig zurückzogen. Du dummes Ding , schalt sie sich im Stillen. Warum war sie ganz allein ein solches Wagnis eingegangen?
    Wie durch Zauberei löste sich plötzlich Dr. Graves aus der Menge und kam mit dem Ausdruck größten Selbstvertrauens auf sie zu. »Komm, meine Liebe«, sagte er resolut, »wir müssen jetzt wirklich gehen.« Er nahm ihren Arm und führte sie schnell von dem Quacksalber und der Menge fort.
    Lilly ging widerstandslos mit.
    Als sie die Straße überquert hatten, flüsterte sie: »Das genügt, glaube ich. Danke.«
    Er blieb stehen, ließ sie los und atmete auf. »Ich muss sagen, Miss Haswell, das war ziemlich unklug von Ihnen. Es wäre ungefährlicher, sich zwischen einen wilden Hund und seinen Knochen zu stellen.

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