Das Geheimnis der Apothekerin
Robinson Crusoe , den sie in einer nahe gelegenen Bücherei entliehen hatte, sinken und wappnete sich gegen einen weiteren Tadel wegen ihres Verhaltens am Samstagabend.
Eine ganze Weile studierte er seine Hände, die er beinahe zu Fäusten geballt hatte. »Lillian, wir haben kürzlich über die Halskette gesprochen. Du hast damals keinen Zweifel daran gelassen, dass du alles über deine Mutter erfahren möchtest, auch wenn es … unangenehm ist.«
»Ja.« Lilly beugte sich vor. »Hast du etwas gehört? Hast du sie getroffen?«
Er schüttelte den Kopf. »Was ich dir sagen muss, ist schon vor drei Jahren passiert.« Er hielt die Hand hoch, um ihren Protest zu unterbinden. »Ich weiß … aber bis das mit der Kette passierte, hatte ich nicht vor, dir jemals davon zu erzählen.«
Er schaute ihr direkt in die Augen. »Ich habe dir die Wahrheit gesagt, meine Liebe. Deine Mutter hat mich nur dieses eine Mal aufgesucht, aber …«
»Sie hat dir geschrieben?«
»Nein, Lillian. Wenn ich einen Brief von ihr hätte, hätte ich ihn dir gezeigt. Sie hat mir nicht geschrieben, aber ich bekam einen Brief, der Nachrichten über sie enthielt. Das heißt, über eine Wohnung, die sie mieten wollte. Der Besitzer hatte eine Empfehlung verlangt und sie muss ihm meinen Namen genannt haben.«
»Hast du ihr die Empfehlung gegeben?«
»Ja. Ich schrieb, dass ich nichts über ihre augenblickliche Beschäftigung und ihr Verhalten wisse, aber dass sie früher ein gutes Mädchen gewesen sei und aus einer angesehenen Familie stamme.«
»Und das war alles?«
Er zuckte die Achseln. »Ich nehme an, sie bekam die Wohnung, aber ich bin natürlich nicht sicher.«
»Hast du die Adresse?« Lilly schrie beinahe vor Aufregung.
»Darauf will ich ja gerade zu sprechen kommen, Liebes. Bevor ich dir davon erzählte, wollte ich nachsehen, ob der Brief noch irgendwo ist. Ich konnte ihn nicht finden, aber mein Sekretär fand in einem alten Kontobuch eine Eintragung über das Porto, das ich bezahlte, als die Anfrage wegen der Empfehlung kam.«
Er reichte ihr ein Stück Papier. »Der Straßenname und die Hausnummer.«
Lilly starrte auf die wenigen Zahlen und Wörter, die in dunkler Tinte auf dem Blatt standen.
Ihre eigene Hand zitterte und ihr Herz klopfte wild. Konnte sie wirklich hingehen und an die Tür ihrer Mutter klopfen? Sie besuchen, wie man eine alte Freundin besucht? Würde man sie überhaupt einlassen? Ihre Handflächen wurden feucht, wenn sie daran dachte, und sie legte das kostbare Papier auf den Tisch, um es nicht zu verderben.
»Würdest du mich begleiten?«, fragte sie mit einer Stimme, die sie kaum wiedererkannte – der Stimme eines kleinen Mädchens.
Die Adresse war ein Hinterhof in der Fleet Street, einer Gegend mit schmalen, bescheidenen Häuschen.
Ihr Onkel klopfte mit dem Schirm an die Tür, als scheue er sich, sie zu berühren, weil sie seine Handschuhe beschmutzen könnte. Lilly hielt den Atem an. Nach ein paar angespannten Sekunden ging die Tür auf und eine Frau mit dunklem, von mit Silberfäden durchzogenem Haar öffnete die Tür. Sie trug ein Kleid, das früher einmal sehr schön gewesen sein musste, inzwischen aber seit mindestens einem Jahrzehnt völlig unmodern war.
»Ja?«
»Guten Tag, Madam. Wir suchen nach einer ihrer Mieterinnen, einer Mrs Rosamond Haswell.«
»Hier wohnt keiner, der so heißt.«
»Vielleicht hat sie ihren Mädchennamen gebraucht – Elliott?«
»Hören Sie, das hier ist keine Absteige, Sir. Wir haben zurzeit nur einen einzigen Mieter, in den oberen Zimmern. So wird unser Leben etwas angenehmer, jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind.«
»Ich verstehe, aber Sie haben mir doch geschrieben und um eine Empfehlung für Rosamond …«
»Ach, Sie meinen Rosa? Die ist schon lange weg. Jetzt wohnt Tommy Baker hier.«
Rosa ? Enttäuschung, gemischt mit Erleichterung, überflutete Lilly. »Wie lange ist sie schon fort?«
»Das müssen jetzt über zwei Jahre sein, vielleicht auch länger. Sie konnte die Miete nicht mehr bezahlen. Sie hat immer Schüler angenommen, während sie hier wohnte – Töchter von Kaufleuten und so –, aber die haben nicht viel gezahlt. Sie steckt doch nicht etwa in Schwierigkeiten, oder?«
»Nicht dass wir wüssten. Wissen Sie, wohin sie gegangen ist?«
»Du lieber Himmel, nein.« Die Frau zog die Brauen zusammen. »Ich glaube, sie hat geheiratet. Irgendeinen Offizier, meine ich.«
Geheiratet? Dann kann sie es nicht sein, oder?
»Ihr Ehemann «, stieß Lillys Onkel
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