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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Onkel nicht ersetzt hatten, vielleicht in der Hoffnung, dass sie ihn nie wieder brauchen würde.
    »Oh nein!« In Ruth Elliotts Stimme und Blick stieg Panik auf. »Die Saison dauert nur noch sechs Wochen. Das ist sehr wenig Zeit, um ganz neu anzufangen. Und nächstes Jahr wird es heißen, du seist übrig geblieben – sitzen geblieben.«
    Lilly zögerte. »Wäre das denn das Ende der Welt?«
    »Nein, meine Liebe. Nur das Ende der besten Gelegenheit, eine gute Partie zu machen.«
    »Ich darf jetzt nicht an so etwas denken.« Doch hinter diesen tapferen Worten waren es genau diese Gedanken, die sie quälten, nun noch verstärkt durch das, was Tante Elliott sagte. Denn trotz Lillys Ideal einer Liebesheirat oder ihrer Vorstellung, ihrem Mann als Gehilfin zur Seite zu stehen, war es doch schlicht und einfach so, dass eine gute Partie unverzichtbar war für das Glück einer jeden Frau und ihre Möglichkeit, ein angenehmes, sorgenfreies Leben zu führen, ganz zu schweigen von ihrem sozialen Stand.
    Sie begann, ihre Kleider zusammenzufalten und einzupacken. Eigentlich war das Duprees Arbeit. Daran, dass ihre Tante sie nicht darauf hinwies, erkannte Lilly, wie schockiert sie war.
    Aber es war doch bestimmt noch nicht alles verloren. Sie würde schon bald zurückkommen. Sie wollte ihre Tante nicht enttäuschen. Das Ziel, das sie mit ihrem Aufenthalt in London verfolgte, durfte nicht fehlschlagen. Noch nicht.
    »Mit zwanzig oder auch einundzwanzig bin ich doch ganz sicher noch nicht zu alt. Es sei denn – verzeih. Ich darf nicht einfach voraussetzen, dass ihr mich hier für eine weitere Saison aufnehmt.«
    Mit einem Mal schien die perfekte Haltung ihrer Tante, die sie stets in allen Lebenslagen zeigte, von ihr abzufallen und sie sank entmutigt in sich zusammen. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin müde. All meine Hoffnungen wurden wieder einmal enttäuscht. Der ganze Aufwand, die Kosten …«
    Lilly fühlte sich in die Defensive gedrängt. Sie sagte rasch: »Bitte verzeih mir. Mir war nicht bewusst, dass ich eine Last geworden bin, aber das bin ich natürlich. Ich war sehr selbstsüchtig und das tut mir leid.«
    Ihre Tante seufzte. »Ich möchte dich nicht drängen und dir auch keine Angst machen, mein Liebes. Doch angesichts all dessen, was in dieser Saison für uns fehlgeschlagen ist – der Klatsch, die Tatsache, dass der Beruf deines Vaters bekannt wurde, Susan Whittier, die dir Mr Bromley abspenstig machte –, setze ich wenig Hoffnung auf eine weitere Saison, wenn eine ganze Ladung frischer, vollendeter junger Damen in den Wettbewerb um dieselben jungen Männer eintritt.«
    Lilly hörte auf zu packen und nahm die Hand ihrer Tante. »Ich fahre nur auf einen Besuch. Eine, höchstens zwei Wochen. Dann haben wir noch einen guten Monat, wenn ich zurückkomme. Meinst du nicht?«
    Ihre Tante schaute ihr in die Augen. In ihren eigenen schwammen ungeweinte Tränen, als wollte sie ihr von Herzen gern glauben, konnte es aber einfach nicht.

17

    Das Herz des Menschen, es mag so jung oder so alt sein, wie es will,
öffnet sich nur dem Herzen, das sich ihm ebenfalls öffnet.
    Maria Edgeworth, Romanautorin des 19. Jahrhunderts
    Falls Lilly erwartet hatte, dass in Bedsley Priors alles beim Alten geblieben war, hatte sie sich getäuscht. In den anderthalb Jahren, die sie fortgewesen war, waren ihr Dorf und auch das benachbarte Honeystreet durch die Zunahme der Schifffahrt auf dem Kanal beträchtlich gewachsen. Es gab neue Läden und viele neue strohgedeckte Häuser für die Arbeiter in der Sägemühle und die Werftarbeiter und ihre Familien. Huntley's Yard, direkt am Kanal gelegen, war zu einer belebten Enklave von Sägemühlen und Farbengeschäften geworden, ja es gab sogar einen Schuster und einen Leichenbestatter. Die beiden Dörfer waren fast zusammengewachsen; nur die schmale Sands Road trennte sie noch.
    All dies registrierte Lilly vom Fenster der Kutsche aus. Die entsprechenden Erklärungen lieferte ihr ein freundlicher Mitreisender, der sich ihr als der Besitzer eines neuen Hutsalons vorgestellt hatte.
    Lilly war zu überrascht, um etwas zu sagen. Hatte ihr Vater ihre Briefe deshalb nicht beantwortet? Hatte er so viel zu tun, dass er einfach keine Zeit hatte, ihr zu schreiben?
    Vor dem Hare and Hounds stieg sie aus und wartete, bis der Kutscher ihr ihren Koffer und die Reisetasche gereicht hatte. Dann ging sie um die große Kutsche herum, begierig, den Laden ihres Vaters zu sehen, das Ladenschild, das Schaufenster mit den vielen

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