Das Geheimnis der Apothekerin
Bestellung aus dem Katalog. Und die Skarabäen habe ich selbst erbeutet und präpariert.«
Sie konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »Sie sind in Ägypten gewesen?«
»In Ägypten, Italien, auf den Westindischen Inseln und in Afrika.«
»Du meine Güte. Darf ich fragen, wie es kam, dass Sie so weit gereist sind?«
»Natürlich dürfen Sie.« Er stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Ich habe mehrere Jahre als Schiffsarzt auf einem Handelsschiff gearbeitet. Mein Arbeitgeber importierte exotische Dinge aus exotischen Ländern. Für mich war das alles höchst faszinierend. Nicht nur die ungewöhnlichen Pflanzen und Tiere, ja auch Menschen –, sondern vor allem die Heilmethoden der verschiedenen Kulturen. Sehr interessant.«
»Dann muss ich Ihnen jetzt wohl die obligatorische Frage stellen, Sir«, sagte Lilly. »Wie um alles in der Welt – warum um in alles in der Welt – haben Sie in einem kleinen englischen Dorf wie Bedsley Priors eine Apotheke aufgemacht? Haben Sie hier Familie?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Familie.« Er blickte über ihren Kopf hinweg, offensichtlich tief in Gedanken oder in eine Erinnerung versunken. »Irgendwann hatte ich das Leben auf einem Schiff, unter ungehobelten Seeleuten, satt. Ich kündigte und buchte eine Passage auf einem der Kanalboote, die unsere Waren von Bristol nach London bringen. Dort arbeitete ich mehrere Monate mit einem Apotheker zusammen und beschloss dann, ein paar Jahre in London zu bleiben. Die Stadt hat ein immenses kulturelles Angebot.«
»London kann ich verstehen, Sir, aber Bedsley Priors?«
Sie fühlte Francis stummen Tadel und wollte ihre Neugier wiedergutmachen. »Es ist ein schönes Dorf, aber ich bin natürlich nicht objektiv. Ich bin hier aufgewachsen und meine Familie lebt hier.«
»Sie sind glücklich zu schätzen, dass Sie Familie und Freunde haben, Miss Haswell. Und es ist tatsächlich ein hübscher Ort mit netten Menschen. Als ich auf dem Weg nach London hier durchkam, sah ich drei Gründe, die mich damals zwangen, sogleich die Entscheidung zu treffen, dass ich eines Tages nach Bedsley Priors zurückkehren wollte.«
Lilly hob die Brauen. »Drei Gründe, Sir?«
Mary kam wieder aus der Küche; sie trug ein Tablett mit Geschirr. Mr Shuttleworth sagte leise: »Hier ist einer dieser lieblichen Gründe.« Er stand auf. »Darf ich Ihnen mit dem Tablett behilflich sein? Es sieht schwer aus.«
Mary errötete. »Ich komme schon zurecht, Sir.«
Er strahlte sie alle an. »Und kräftig außerdem.« Sein Blick wanderte von Marys Gesicht zu Lillys. »Sie könnten Schwestern sein. Sie sind beide ausnehmend hübsch.«
Die Platte mit dem Huhn landete ein bisschen laut auf dem Tisch. »Entschuldigung«, murmelte Mary. Dann biss sie sich auf die Lippen und stellte die Schüsseln mit dem Gemüse mit ihrer üblichen Anmut ab. Lilly hoffte inständig, dass sie keinen epileptischen Anfall bekommen würde.
Sich mit Gewalt von dem unverwandten Blick des Mannes abkehrend, fragte Lilly: »Isst du mit uns, Mary?«
»Ich kann jetzt nicht. Vielleicht nachher, zum Pudding und Kaffee.«
Lilly nahm sich ein Stück geschmortes Huhn und reichte die Platte an Mr Shuttleworth weiter. Er legte mehrere Stücke neben die große Portion Lauch und Kartoffeln, die er sich auf den Teller gehäuft hatte. »Gut. Jetzt, wo das Essen da ist, können wir über das Geschäftliche sprechen.«
Er beugte sich über den Tisch. »Die Flasche. Ich habe die paar Tropfen, die noch darin waren, untersucht. Auf jeden Fall enthält sie Alkohol.«
Ihr Herz wurde schwer. Sie spürte, wie sie vor Scham rot wurde.
»Außerdem Laudanum.«
Sie sah auf ihren Teller hinunter. Der Appetit war ihr vergangen.
»Aber ich glaube, der Hauptzweck des Inhalts dient nicht dazu, sich einen Rausch anzutrinken, sondern der Beruhigung.«
Sie blickte auf.
»Ich nehme an, die Flasche gehört Ihrem Vater und sie ist nur eine von vielen?«
Sie warf Francis einen Blick zu, doch Mr Shuttleworth hob eine Hand. »Mr Baylor hat mir nichts gesagt, doch das liegt eigentlich auf der Hand. Ich weiß, dass Ihr Vater sich in letzter Zeit sehr zurückgezogen hat. Ich wollte ihn sogar einmal besuchen, bin aber kurz abgefertigt worden.«
»Das tut mir leid.«
»Macht nichts.« Mr Shuttleworth akzeptierte ihre Entschuldigung mit einem lässigen Abwinken. »Ich habe ihn vor ein paar Wochen auf der Straße gesehen und er wirkte damals schon sehr verkrampft und erschöpft. Ich fragte mich, ob er vielleicht starke
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