Das Geheimnis der Apothekerin
Sommer, den ich im Apothekergarten gearbeitet habe. Mehrere Monate – pah!«
»Vater, bitte! Ich bestehe darauf, dass du zu einem Arzt gehst. Wenn du nicht zu den beiden hier ansässigen willst, werde ich … dann werde ich meinem Onkel schreiben und ihn bitten, uns jemand aus London herzuschicken.«
»Deinen Onkel? Der mich sowieso schon für einen nutzlosen Versager hält? Diese Genugtuung werde ich ihm nicht geben.«
»Du bist nicht nutzlos. Nur krank.«
»Das ist dasselbe.«
»Das ist es nicht! Vater, ich bestehe darauf …«
Er warf ihr einen kalten Blick aus eisblauen Augen zu. »Mein Mädchen, leider hast du nicht das Recht, auf irgendetwas zu bestehen.«
»Nein?«, fragte sie. Sie wollte sich nicht einschüchtern lassen. »Handelt mein Vater in dieser Sache nicht irrational? Er schadet sich selbst und seinem geliebten Laden, der von seinem Vater und dessen Vater auf ihn vererbt wurde. Einen Laden, für den er einst alles getan hätte.«
»Ich versuche nur, ihn zu retten!«
»Nein, du versuchst, deinen Stolz zu retten. Aber dafür ist es zu spät. Ich rufe Dr. Foster oder Mr Shuttleworth – du hast die Wahl.«
»Gib mir … gib mir einfach noch ein bisschen Zeit. Ich weiß, dass ich wieder auf die Beine komme. Nur noch einen Monat. Dann werde ich herausgefunden haben, welche Behandlung ich übersehen habe …«
»Zwei Tage.«
»Zwei Wochen.«
»Eine Woche – keinen Tag mehr.«
Er seufzte. »Gut.«
»Gut«, sagte sie entschlossen. Aber sie fragte sich, ob sie noch so lange Zeit hatten.
20
J. & A. Peppler erlauben sich, die Damen von DEVIZES und
Umgebung darüber zu informieren, das J. P. aus London zurück-
gekehrt ist, von wo sie die neuesten HUTMODELLE mit-
gebracht hat, darunter Florentinerhüte und Hauben.
Devizes & Wiltshire Gazette, 1833
Am nächsten Morgen stellte Lilly gerade das Frühstück für ihren Vater auf ein Servierbrett, als ein lautes Klopfen an der Ladentür sie so erschreckte, dass sie sich den heißen Tee über die Hand schüttete. Sie pustete fleißig über die verbrühte Haut und lief aus der Labor-Küche durch den Laden zur Tür, vor der sie zu ihrer Überraschung Francis gewahrte. Sie öffnete die Tür und sah, dass er eine Kiste unter dem Arm trug.
»Die ist schwer! Darf ich …?«
»Natürlich. Kommen Sie rein.«
Er stellte die Kiste behutsam auf der Theke ab.
»Was ist das?«, fragte sie und betrachtete die Vielzahl von Fläschchen und Schächtelchen.
»Nur ein Grundstock. Damit kommen Sie hoffentlich zurecht, bis Sie Zeit haben, eine Bestellung aufzugeben.«
»Aber … wie?«
»Ich habe, als ich für Sie die Bestandsaufnahme gemacht habe, eine zweite Liste für mich selbst aufgestellt. Dies hier stammt aus den Vorräten von Mr Shuttleworth.«
»Aber wir können das nicht annehmen.«
»Das ist keine Barmherzigkeit, Miss Haswell. Es ist alles notiert. Sie werden es zurückzahlen, sobald Sie können.«
»Aber ich werde …« Warum beendete sie den Satz nicht? Warum sagte sie nicht: Aber ich werde nicht mehr hier sein . Angesichts der entsetzlichen Erkenntnis, die in ihr aufdämmerte, packte sie kalte Angst. Bestellungen waren aufzugeben, Rechnungen zu bezahlen, der Laden musste auf Vordermann gebracht werden … aber was wurde über all diesen Dingen aus ihrem Plan, höchstens vierzehn Tage zu bleiben?
»Selbstverständlich werde ich dafür sorgen, dass das alles bezahlt wird«, sagte sie mit erkünstelter Munterkeit. »Vielen Dank.« Damit drehte sie sich abrupt um und ging in die Küche zurück, damit er nicht sah, wie ihre Zuversicht kläglich in sich zusammenfiel.
Am nächsten Tag gingen Lilly und Charlie zusammen in die Kirche. Wie einladend das kleine Gotteshaus an diesem hellen Morgen aussah! Durch die bunten Fenster fiel der Sonnenschein, die Kerzen schimmerten, glückliches Stimmengewirr erfüllte die Kapelle. Es tat gut, hier zu sein, auf ihrem alten Platz zu sitzen und der wohlmodulierten, die Herkunft aus der Grafschaft Kent verratenden Stimme von Mr Baisley zu lauschen.
Während sie mit den anderen in die Lieder einstimmte, wurde Lillys Aufmerksamkeit plötzlich auf eine tiefe, männliche Stimme ganz in ihrer Nähe gelenkt. Der volle, angenehme Bariton verlieh den vielen dünnen Stimmen der alten Frauen und Männer Tiefe und Lebendigkeit. Lilly blickte sich diskret über die Schulter um und sah erstaunt, dass Francis Baylor zwei Reihen hinter ihr saß, die Augen auf den Pfarrer gerichtet und aus vollem Halse singend. Sogar seine Stimme
Weitere Kostenlose Bücher