Das Geheimnis der Apothekerin
konnte das Boot aber nirgends entdecken.
»Hast du Pennywort angespannt?«
»Das Rad ist gebrochen.«
»Ach so.« Sie verbarg ihre Frustration. »Du wusstest doch, dass ich das Boot nehmen wollte. Warum hast du es mir nicht gleich gesagt?«
»Du gehst ja nur zu den Marlows. Is nich weit.«
Sie schnaubte. »Na gut. Dann gehe ich eben zu Fuß.«
»Soll ich mitkommen?« Er stand unbeholfen auf. »Da wohnt jetzt eine ziemlich hübsche rothaarige Dame. Ich hätte nichts dagegen, sie wiederzusehen. Alle Jungs sagen, sie sei doll hübsch. Sogar Francis.«
Lilly fragte sich, ob diese rothaarige Dame die Frau war, die sie in London mit Roderick Marlow gesehen hatte. »Bitte, bleib bei Vater, Charlie. Wenn er etwas braucht, lauf hinüber und frag Mrs Mimpurse.«
»Gut.« Aber er sah unglücklich aus.
»Komm, Charlie«, sagte Mary, die gerade zu ihnen nach draußen trat und sein Unbehagen spürte. »Wie wär's mit einem Damespiel, bevor ich gehe?«
Bei diesem Vorschlag schaute Charlie wieder etwas fröhlicher drein.
Lilly lächelte Mary dankbar an und ging zum Tor hinaus.
Charlie hatte recht. Es war nicht weit bis nach Marlow House. Sie hatte die Entfernung früher öfter zu Fuß, ja sogar rennend, zurückgelegt. Aber nie in so eleganter Kleidung, so zarten Schühchen und so engem Korsett.
Sie ging ziemlich steif und hoffte, dass ihr mit Hilfe unzähliger Haarnadeln hoch auf dem Kopf aufgetürmtes Haar unter dem Hut halten würde.
Sie näherte sich Marlow House von der Seite. Plötzlich blieb sie stehen. Auf dem Rasen stand ein Mann, still wie eine Statue. Erst zögerte sie, doch dann ging sie näher und starrte den Mann an, dessen Profil ihr mit jedem Schritt vertrauter wurde.
Offenbar hatte er ihre Schritte auf dem Kiesweg gehört, denn er drehte sich um und blickte in ihre Richtung. »Du meine Güte, haben Sie mich erschreckt.«
Roger Bromley, hier? In Bedsley Priors? Obwohl sie verlegen war und nicht wusste, wie er auf ihre Anwesenheit reagieren würde, freute sie sich, ihn zu sehen. Sie hatte diesen Mann immer gemocht. Sie lächelte ihn an und legte den Kopf schräg. Dabei spürte sie, wie ihre Krone aus Locken sich gefährlich auf eine Seite neigte, und richtete den Kopf schnell wieder auf.
»Miss Haswell?«, lächelte Roger Bromley, der sie ebenfalls wiedererkannt hatte, und kam ihr entgegen. »Ich habe nicht erwartet, Sie hier zu sehen.«
»Ich habe ebenso wenig mit Ihnen gerechnet.«
»Welch ein Vergnügen.« Er verbeugte sich und sie knickste. »Ich wollte gerade ein bisschen frische Luft schnappen und außerdem brauchte ich eine Pause von den dummen Frauenzimmern da drin. Ich wusste nicht, dass Sie auch auf die Party kommen.«
»Oh …«, sie zögerte. »Das tue ich gar nicht. Ich wohne hier – im Dorf, meine ich.«
»Stimmt ja! Ich hatte völlig vergessen, dass Sie aus demselben Dorf wie Marlow stammen!«
Die Erwähnung des gefürchteten Namens machte ihr Angst und sie holte tief Luft. In der Hoffnung, es zu verschleiern, fragte sie fröhlich: »Ist Christina Price-Winters auch hier?«
»Nein. Sie ist mit Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt. Hat sich mit Stanton verlobt. Wussten Sie das nicht?«
Lilly schüttelte den Kopf. Sie hatte zwar damit gerechnet, dass Christina nicht mit ihr in Kontakt bleiben würde, aber dass sie ihr eine so wichtige Neuigkeit nicht mitgeteilt hatte, verletzte sie dennoch.
»Aber es sind mindestens zwei Personen hier, die Sie kennen«, fuhr Mr Bromley fort. »Toby Horton und Miss Whittier.«
»Wie schön für Sie.«
»Sollte es eigentlich sein, ja.«
»Ach du meine Güte! Hat sie Sie wieder abblitzen lassen?«
Er beäugte sie mit schiefem Lächeln.
»Das würde ich nicht gerade sagen, aber ja, sie zeigt mir wieder mal die kalte Schulter.«
»Es tut mir leid, das zu hören. Vielleicht sollten Sie eine unmittelbar bevorstehende Verlobung erfinden?« Sie verbiss sich ein Lächeln. »Das scheint letztes Mal ziemlich gut gewirkt zu haben.«
Er lachte. »Wie erfrischend offen Sie sind, Miss Haswell. Ich habe Sie vermisst, obwohl ich weiß, dass ich nicht den Eindruck gemacht habe.«
»Das ist schon in Ordnung, Mr Bromley«, sagte sie, froh, dass sie kein Bedauern darüber empfand. »Ich hatte keinen Grund, einen Brief von Ihnen zu erwarten.«
»Das stimmt, nachdem Sie mich so herzlos abblitzen ließen.« Er lächelte sie an, ein neckisches Funkeln in den Augen.
»Möchten Sie nicht hereinkommen?« Er bot ihr seinen Arm.
»Ich will nicht stören.«
»Das tun
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