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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Bruder Ordlaf? Oder hatte einer der beiden das Wissen mit Absicht an einen Dritten weitergegeben?
    Vater Hademar mochte vielleicht zu bequem für derlei Verwicklungen sein. Mit Bruder Ordlaf hingegen verhielt sich das ganz anders. War sein Ehrgeiz groß genug, dass er sich darauf verstiegen hatte, mit Hilfe der Heiligen Lanze das Amt des Abts zu kaufen? Hatte er beabsichtigt, den König mit der Lanze zu nötigen, ihm das angestrebte Amt zu übergeben? Aber selbst wenn König Heinrich nachgegeben hätte, würde er Bruder Ordlaf doch umgehend wieder des Amtes entheben, sobald er wieder im Besitz seines kostbaren Kleinods wäre. Dennoch … Grübelnd kniff Bandolf die Augen zusammen. Bruder Ordlaf konnte der Mittelsmann für einen anderen gewesen sein. Für jemanden von Macht und Einfluss, der in der Lage war, dem Prior das Amt des Abtes zu verschaffen, wenn Bruder Ordlaf ihm die Heilige Lanze übergab. Wer würde dem Prior ein solches Versprechen geben können?
    Bandolf seufzte. Auf Anhieb fielen ihm da ein halbes Dutzend Fürsten ein.
    Mit einem vernehmlichen Räuspern brachte sich Hermann von Bamberg in Erinnerung. Bandolf sah auf.
    »Wie sollte die Übergabe an den Juden stattfinden?«, wollte er wissen.
    »Es war vorgesehen, dass die Lanze dem Kaufmann am Tag der Sonnenwende ausgehändigt werden sollte. Das schien uns ein guter Zeitpunkt zu sein, weil an einem solchen Tag viele Menschen das Kloster aufsuchen. Wir glaubten, die Anwesenheit eines jüdischen Kaufmanns
würde unter diesen Umständen weniger auffallen, und die Übergabe würde nicht bemerkt werden.«
    Als Bandolf geringschätzig schnaubte, fügte Hermann mit einem Hauch Verärgerung in der Stimme hinzu: »Euer Schreiber muss dasselbe gedacht haben, hat er doch just diesen Tag gewählt, um die Lanze aus der Silberkammer des Klosters zu entwenden.«
    »Warum hätte Prosperius ein solches Verbrechen begehen sollen? Sagt mir das.«
    Wie beiläufig griff der Erzbischof nach seinem Becher und betrachtete eingehend seinen Inhalt. »Er tat es natürlich nicht für sich selbst«, sagte er schließlich.
    Es fiel Bandolf nicht schwer zu erraten, was Seine Eminenz dachte.
    »Da Prosperius in meinen Diensten steht, sollte ich die erste Wahl sein, wenn es um Verdächtige geht. Mutet es da nicht seltsam an, dass ausgerechnet ich damit beauftragt werde, das kostbare Kleinod wiederzubeschaffen?«
    »Der König vertraut Euch«, meinte der Erzbischof, offenkundig noch immer in Betrachtung seines Weins versunken.
    ›Du aber nicht‹, dachte Bandolf, enthielt sich jedoch einer Bemerkung. Stattdessen fragte er: »Wie soll mein Schreiber den Diebstahl der Lanze bewerkstelligt haben, ohne einen Fuß ins Kloster zu setzen?«
    Unter gesenkten Lidern warf ihm Hermann einen raschen Blick zu. »Nun, dass er nicht im Kloster gewesen ist, darauf gibt es nur das Wort des Novizen. Wie erwartet, herrschte am Tag der Sonnenwende Betriebsamkeit im Kloster. Leute kamen und gingen. Es fiel Eurem Schreiber gewiss nicht schwer, sich unter die Dörfler zu mischen und unbeachtet am Pförtner vorbeizukommen. Doch Bruder Adelbald muss ihn erkannt und gesehen haben, wie er
sich in die Silberkammer schlich. Der junge Mönch muss geglaubt haben, Patrizius …«
    »Prosperius«, berichtigte Bandolf unwillkürlich.
    »… Prosperius also, wolle sich am Klosterschatz bereichern. Womöglich fürchtete Bruder Adelbald, Euer Schreiber wäre längst auf und davon, bis er den Abt davon unterrichtet hätte, und darum folgte er ihm. Patri …« Der Erzbischof hüstelte. »… Prosperius bemerkte, dass sein ehemaliger Mitbruder ihm folgte, lockte ihn in jene Höhle und erstach ihn. Nun, und dort haben die Mönche ihn dann ja auch schließlich ertappt.«
    »So also hat es Vater Hademar dem König geschildert?«
    »Nun, Ihr müsst zugeben, dass es Sinn ergibt«, meinte der Erzbischof.
    »Und wo ist dann die Lanze?«, fragte der Burggraf.
    Als Hermann von Bamberg nur fragend die Braue hob, schüttelte Bandolf den Kopf. »Hätte es sich so abgespielt, wie Ihr glaubt, dann müsste man die Lanze in Liutbirgs Klause gefunden haben. Dort war sie aber offenkundig nicht. Und sagt mir nicht, Abt und Prior – nun, zumindest der Prior – hätten nicht jeden Winkel dort nach dem Kleinod abgesucht.«
    »Natürlich wurde gesucht, aber womöglich – «
    Mit einer ungeduldigen Geste unterbrach ihn Bandolf: »Und woher hätte Prosperius den Dolch gehabt, um Bruder Adelbald niederzustechen? Als er die Burg verließ, besaß er

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