Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
und buschige Brauen beschatteten die tief liegenden Augen, vermochten seinen scharfen Blick jedoch nicht zu verbergen. Man munkelte, Hermann habe seine Würde gekauft, ein Umstand, der König Heinrich nicht zu stören schien. Seit dem Sturz Erzbischof Adalberts von Bremen und Hamburg, dem einstigen Mentor des jungen Königs, war Hermann von Bamberg in den Kreis seiner engsten Berater aufgestiegen.
Wenn er den Burggrafen von Worms aufsuchte, dann nicht ohne Befehl des Königs.
›Süßer Jesus! Warum bin ich nicht früher aufgebrochen?‹, haderte Bandolf im Stillen, während er mit wachsender Unruhe zusah, wie der Erzbischof seinen letzten Bissen mit einem Schluck vom spanischen Roten des Juden hinunterspülte.
Nach allem, was Bandolf zu wissen glaubte, fiel es ihm nicht schwer, sich zusammenzureimen, was Hermann von Bamberg von ihm wollte. Doch jede Faser seines Herzens sträubte sich dagegen, es zu hören. Er musste nach Worms! Nichts durfte ihn aufhalten!
»Welchem Umstand verdanke ich die Ehre Eures Besuchs? «, fragte er dennoch, als der Erzbischof sich schließlich mit einem gesättigten Rülpsen zurücklehnte.
Er hob seinen Becher und schien sinnend den Inhalt zu betrachten. »Das ist ein ausgezeichneter Wein, den Ihr da habt. Woher stammt er?«, erkundigte er sich, ohne Bandolfs Frage zu beantworten.
Doch Bandolf war nicht nach jenem müßigen Geplauder zumute, mit dem man bei Hof eine Unterredung einzuleiten pflegte.
»Ihr sagtet, Euer Anliegen sei dringlich. Was also führt Euch zu mir?«
Mit einem forschenden Blick unter seiner hochgezogenen Braue trug Hermann dem abweisenden Tonfall des Burggrafen Rechnung. Falls ihm eine Frage auf der Zunge gelegen hatte, hielt er sie aber zurück. »Was ich Euch mitzuteilen habe, ist ausschließlich für Eure Ohren bestimmt«, sagte er nur.
Schweigend warteten die beiden Männer, bis auch der letzte Knecht die Halle verlassen hatte. Schließlich stellte der Erzbischof seinen Becher ab und räusperte sich.
»Ich bin im Auftrag des Königs hier, und die Angelegenheit, die mich zu Euch führt, ist nicht nur dringlich, Burggraf. Sie ist von allerhöchster Bedeutung«, erklärte er. Als wolle er seinen Worten mehr Nachdruck verleihen, straffte er die Schultern, bevor er hinzufügte: »Dem König wurde ein unschätzbares Kleinod geraubt.«
Schweigend starrte Bandolf ihn an.
»Ein unschätzbares Kleinod, Burggraf«, sagte der Erzbischof, jedes Wort betonend. »Ein Kleinod, das einen Nagel vom Kreuze unseres Herrn Jesus Christus beherbergt.«
Langsam entließ Bandolf den Atem, den er angehalten hatte. »Die Lanze des Mauritius«, murmelte er.
»Das scheint Euch nicht zu überraschen?«, bemerkte der Erzbischof leichthin, doch der argwöhnische Blick, den er dem Burggrafen zuwarf, sprach für sich.
»Ich hatte es vermutet.«
»Die Angelegenheit wurde streng geheim gehalten. Wie kommt es, dass just Ihr davon wisst?«
»Glaubt Ihr, ich hätte meine Hände in den Schoß gelegt,
während man ein Mitglied meines Haushalts des Mordes verdächtigt?«, knurrte der Burggraf.
Mit einem Schulterzucken ging der Erzbischof über Bandolfs unwirsche Antwort hinweg.
»Dann wird Euch der Befehl des Königs nicht überraschen, dessen Übermittler ich bin: Ihr müsst die Lanze wiederbeschaffen. Koste es, was es wolle!«, erklärte er.
Gequält schloss Bandolf die Augen, hatte er trotz allem doch immer noch gehofft, der Kelch würde an ihm vorübergehen.
»Ich kann nicht«, stieß er hervor. »Mir sind die Hände gebunden.«
»Euch sind die Hände gebunden? Was soll das heißen?«
Als Bandolf nur den Kopf schüttelte, fragte der Erzbischof scharf: »Habt Ihr auch nur die leiseste Vorstellung davon, was für Folgen es für König Heinrich und das ganze Reich haben würde, wenn bekannt würde, dass Heinrich nicht mehr im Besitz der Heiligen Lanze ist? Dieses Kleinod ist mehr als nur ein Herrschaftssymbol. Die Lanze des Mauritius ist die machtvollste Reliquie, die ein Herrscher besitzen kann, sei er König oder Kaiser. Sie ist für alle Welt das sichtbare Zeichen, dass seine Macht unumstößlich von Gott ausgeht.«
Wortlos klaubte der Burggraf die Botschaft aus einem Beutel an seinem Gürtel, die er vor wenigen Stunden erhalten hatte, und reichte sie dem Erzbischof.
Hermanns Züge verdüsterten sich, während er las, doch als er Bandolf die Schriftrolle zurückgab, schüttelte er den Kopf. »Ich begreife Eure Sorge, und glaubt mir, ich fühle mit Euch – doch das darf Euch
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