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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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mit der Botschaft für den Prior geschickt hat?«, wollte er wissen.
    Der Pförtner schüttelte den Kopf. »Und mit Verlaub, Burggraf, …«
    Doch Bandolf hatte bereits wieder kehrtgemacht und wandte sich an Bruder Wynstan. »Ich muss mit Prosperius sprechen.«
     
    Zweifellos hatte das unerwartete Verschwinden des Priors für Unruhe im Kloster gesorgt. Überall standen die Mönche in Grüppchen beisammen, tuschelten und warfen dem Burggrafen neugierige Blicke zu, während er Bruder Wynstan durch den Kreuzgang folgte. Doch zu Bandolfs Überraschung hielt niemand sie auf. Erst im Kapitelhaus stieß der Burggraf auf Widerstand in Gestalt des Cellerars,
der mit verschränkten Armen vor der Treppe zu den Unterkünften der Mönche stand und Auskunft verlangte, was der Burggraf hier zu schaffen habe. In Abwesenheit des Priors trüge er die Verantwortung im Kloster, erklärte er, und er würde nicht erlauben, dass die Klausur der Mönche gestört würde.
    Er sei nicht gekommen, um die Ruhe der Mönche zu stören, gab Bandolf unwirsch zurück, doch es sei dringlich, dass er mit seinem Schreiber spreche.
    Niemand dürfe mit dem Teufelsnovizen sprechen, so laute die Anweisung Bruder Priors, meinte der Cellerar unnachgiebig. Daran sei nicht zu deuteln.
    Seine Ungeduld nur mangelhaft in Zaum haltend, knurrte Bandolf, dass er nicht nur die Erlaubnis habe, mit seinem Schreiber zu sprechen, sondern dass es für das Kloster, und insbesondere für den Cellerar, auch äußerst unangenehme Folgen haben würde, sollte man ihm sein Ansinnen verweigern.
    Schließlich gab der Bruder Cellerar widerstrebend nach. Ohne ihm einen weiteren Blick zu gönnen, stürmte der Burggraf an ihm vorbei.
     
    Prosperius’ Unterkunft eine Zelle zu nennen, fand der Burggraf maßlos übertrieben. Hinter der Treppe zum Dormitorium befand sich eine mit Eisenverstrebungen verstärkte Tür, die mit einem Querbalken verriegelt war. Der fensterlose Raum hinter der Tür, spärlich erhellt durch eine mit Tran gefüllte Lampe, war nur unwesentlich größer als das Strohlager, auf dem die kleine Gestalt seines jungen Schreibers kauerte. Mit riesengroßen Augen in dem mageren, blassen Gesicht starrte Prosperius den Burggrafen für einen Augenblick ungläubig an, dann sprang er mit einem japsenden Laut auf und taumelte Bandolf entgegen.

    »Kommt Ihr mich holen, Herr?«
    Mit einem unterdrückten Seufzen schüttelte Bandolf den Kopf. »Bald«, brummte er. Dann drehte er sich zu Bruder Wynstan um, der an ihm vorbei in die winzige Kammer spähte. »Ich will allein mit Prosperius sprechen. Geh und sieh zu, dass nicht noch ein anderer deiner Brüder auf den Gedanken kommt, ich hätte hier nichts zu schaffen.«
    Bruder Wynstan machte ein unglückliches Gesicht, doch ehe er widersprechen konnte, hatte der Burggraf die Tür vor seiner Nase zugezogen.
    Dann drehte sich Bandolf um und fasste seinen jungen Schreiber scharf ins Auge.
    »Es ist Eile geboten, also druckse mir jetzt nicht herum und sag mir die Wahrheit, hörst du?«, befahl er barsch.
    Mit einem schweren Seufzer, der den Jammer der ganzen Welt zu verkünden schien, hob Prosperius den Kopf und nickte.
    »Hat sich Prior Ordlaf je an dir vergangen? Oder an einem deiner Mitbrüder?«
    Flammende Röte schoss in die blassen Wangen des jungen Burschen. »Nein … er hat nie versucht, mich … will sagen, er hat nicht …«, stammelte er.
    »Du willst sagen, dass er sich nicht an dir vergangen hat?«, forschte der Burggraf. »An jemand anderem?«
    Prosperius senkte den Kopf. »Bruder Wynstan«, hauchte er.
    Bandolf sog scharf den Atem ein. »Wynstan also«, knurrte er grimmig. »Hast du das mit eigenen Augen gesehen? Oder hat Bruder Wynstan sich dir anvertraut? Wusste sonst noch jemand von Bruder Ordlafs Vergehen? Der Novizenmeister? Bruder Adelbald? Irgendjemand außerhalb des Klosters?«
    »Nein! So war es nicht … Es war nicht … nicht, wie Ihr
denkt«, wehrte Prosperius hastig ab. »Es war doch nur … es hatte nur den Anschein, als wolle der Prior …«
    Ungeduldig rollte Bandolf mit den Augen. Herrje, wenn der Bengel weiterhin so herumstammelte, würde es Michaeli werden, bis er erfuhr, was er wissen musste.
    »Heraus damit! Was hat es da gegeben?«
    »Es war nicht so, wie Ihr glaubt … Nicht, dass der Prior Wynstan, nun, Ihr wisst schon …«, stotterte Prosperius. Unter gesenkten Lidern warf er seinem Herrn einen zutiefst verlegenen Blick zu. Schließlich stieß er einen ergebenen Seufzer aus. »Bruder Ordlaf

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