Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
gefolgt vom Prior, daran vorbeirauschte. Hätte sein Haar eine weniger auffällige Farbe gehabt, wäre der Mönch seiner Aufmerksamkeit womöglich entgangen.
Bandolf stutzte.
Es war derselbe junge Bursche, der den Burggrafen bei seinem ersten Besuch in Sankt Mauritius ins Kapitelhaus geführt hatte, und seither war ihm dieser Rotschopf nun
schon etliche Male unter die Augen gekommen. War es ein Zufall, dass sich just dieser junge Mönch stets im Kapitelhaus herumdrückte, wenn er hier war?
Der Burggraf drehte sich so unvermittelt um, dass der Prior ums Haar mit ihm zusammengestoßen wäre. Für einen Augenblick erwog Bandolf, den Burschen zu fragen, ob er ihm etwas zu sagen hätte, bezweifelte jedoch, dass der junge Mönch unter den gestrengen Augen seines Priors den Mund auftun würde.
Einem plötzlichen Einfall folgend, wandte er sich stattdessen an den Prior: »Vielleicht könntet Ihr mir in einer anderen Angelegenheit behilflich sein?«
Bruder Ordlaf warf ihm einen wachsamen Blick zu. »Sofern es in meiner Macht steht, Burggraf.« Im Gegensatz zu Bandolf wandte er dem Pfeiler den Rücken zu und hatte den jungen Mönch offenbar noch nicht bemerkt.
»Ihr habt mich meines Schreibers beraubt und meinen Kaplan seines Gehilfen«, erklärte Bandolf, ohne die Miene zu verziehen. »Wie Ihr Euch gewiss denken könnt, ist hier so rasch kein Ersatz für ihn aufzutreiben, daher wäre ich Euch äußerst verbunden, wenn Ihr mir einen Eurer Mönche zur Verfügung stellen könntet, der meinem Kaplan zur Hand geht.«
Offenbar erleichtert, gestattete sich der Prior ein sparsames Lächeln. »Das scheint mir nur recht und billig, Burggraf. Ich werde Eurem Wunsch gern entsprechen und einem meiner Brüder – «
Bevor er seinen Satz beenden konnte, war Bandolf bereits an ihm vorbei und auf den Pfeiler zugetreten, hinter dem der junge Mönch augenscheinlich bestrebt war, sich unsichtbar zu machen.
»Du bist Bruder Wynstan, habe ich recht?«
Die runden Apfelwangen ebenso flammend rot wie sein
Schopf, trat der junge Bursche zögernd aus dem Schatten heraus. Hinter sich hörte Bandolf, wie der Prior den Atem einsog.
»Wie du gewiss gehört hast, ist Prior Ordlaf so zuvorkommend, dich für einige Zeit von deinen Verpflichtungen freizustellen, damit du meinem Kaplan bei seiner Arbeit hilfst.«
»Mich? … Aber ich … Jetzt?«
»Ich sagte, ich würde – «, ließ sich Bruder Ordlaf scharf vernehmen, doch wieder ließ Bandolf ihn nicht zu Wort kommen.
»Man hat dich doch das Lateinische gelehrt, oder irre ich mich?«, fragte er den jungen Mönch.
Bruder Wynstan nickte.
Mit einem zufriedenen Lächeln drehte sich Bandolf um. »Ich schulde Euch Dank, Prior, und weiß Euer Zugeständnis zu schätzen.«
Zum ersten Mal, seit Bandolf ihn kannte, wies die unerschütterliche Maske des Priors deutliche Risse auf. Er war erblasst, seine Nasenflügel bebten. Durchdringend starrte er den Burggrafen an.
»Bruder Wynstan ist noch sehr jung. Ein erfahrener Mönch würde Euch gewiss bessere Dienste erweisen«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
›Sieh an‹, fuhr es Bandolf durch den Kopf. Unwillkürlich fragte er sich, ob es seine Eigenmächtigkeit war, die Bruder Ordlaf erzürnt hatte, oder ob er tatsächlich befürchtete, Bruder Wynstan könnte ihm irgendetwas sagen, das das Kloster zu verbergen trachtete?
»Bemüht Euch nicht, Prior. Ich bin sicher, Bruder Wynstans Können wird vollauf genügen.« Bandolf lächelte kalt. »Oder gibt es einen Grund, weshalb Ihr Euer Zugeständnis nun plötzlich wieder zurücknehmen wollt?«
Einen Lidschlag lang mahlte Bruder Ordlaf mit dem Kiefer. Dann aber wies er den jungen Mönch an, dem Burggrafen zu folgen. Seine Stimme klang milde, wurde jedoch schärfer, als er in Bandolfs Richtung hinzufügte: »Der Burggraf wird dich nicht länger vom Kloster fernhalten, als unbedingt nötig.«
Der Pfad stieg sanft, aber stetig an. Wolken waren aufgezogen, und nur noch selten drang ein Sonnenstrahl durch das dichte Geflecht der Baumwipfel. Die Luft war heiß und stickig.
Mit dem Ärmel seiner Tunika wischte sich Bandolf den Schweiß von der Stirn. Dann warf er einen Blick auf den jungen Mönch an seiner Seite und unterdrückte ein Stöhnen.
Die offenkundige Abneigung Vater Hademars, Bandolf zu empfangen, schien deutlich zu machen, dass Melisend recht behalten und Tidread von Krähenburg keineswegs die Absicht gehabt hatte, für den Burggrafen aus dem Süden beim Abt zu vermitteln.
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